Montag, 9. Januar 2012

Zwei Bakku-pakku reisen durch Kyushu

 
Da wir die ersten zehn Tage des neuen Jahres noch Winterferien hatten, planten Sarah und ich schon vor einigen Wochen, die Gegend um Fukuoka herum genauer unter die Lupe zu nehmen und vom 04. bis zum 08. Januar, als Backpacker durch Kyushu zu reisen und zu testen, wie weit wir mit unserem gebrochenen Japanisch kommen würden. Nur bis zum Kashii Bahnhof oder doch ein Stück weiter?! Wir werden sehen...

Am frühen Morgen des 04. Januars machten wir uns also dick eingepackt in Mantel, Mütze und Schal, auf unsere Reise. In Oumuta (...oh Mutter!) hatten wir einen knapp dreistündigen Aufenthalt, den es zu überbrücken galt, um dann weiter fahren zu können. Da Oumuta leider nicht sehr groß war und deswegen nicht allzu viel zu bieten hatte, schon gar nicht um 10:30h am Vormittag, erkundeteten wir einfach so ein bisschen die Gegend. Sieh an, dieser kleine Ort hat zwar weder ein Udonrestaurant, noch ein Café, aber dafür einen Zoo! Ich finde Zoos zwar nicht sonderlich toll, da mir Tiere in freier Wildbahn eher gefallen, aber als Notlösung kann man ja mal eine Ausnahme machen und eine kleine Mitleidsrunde drehen, um den Tieren Konnichiwa zu sagen.



Gegen 13h ging dann unsere Zugfahrt weiter, nächster planmäßiger Halt: Tateno von wo aus wir mit der Minami Aso Bergbahn nach Takamori fuhren. Dieser kleine Zug bestand aus nur einem Waggon, war innen mit lilanen Sitzpolstern und lilanen Vorhängen ausgestattet und fuhr uns quer durch die bergige, verlassene Landschaft, über tiefe Schluchten und durch dichte Bambuswälder bis ins verschneite Takamori. Als ein paar Japanerinnen des Wohnheims bei unserer Reiseplanung wissen wollten, wohin wir überall fahren würden, schien ihnen Takamori nicht bekannt zu sein. Wie auch? Dieser Ort ist winzig und scheint nur aus ein paar netten Häuschen, dem Bahnhof und einem Touristenbüro zu bestehen. In diesem kleinen Dörfchen, welches mich sehr an einen Ski-Ort in Österreich erinnerte, warteten wir im eisigkalten Touristenbüro auf unseren Bus, der uns nach Takachiho und somit zum ersten Übernachtungsort unserer Reise bringen würde.




 Die 1,5 stündige Busfahrt schien kein Ende zu nehmen und es kamen bei uns schon leichte Zweifel auf, ob wir wirklich im richtigen Bus sitzen würden. Draußen war es stockdunkel, wir konnten weder Straßenverlauf noch Landschaft erkennen, da man in dieser Gegend wohl Sraßenlaternen für unnötig hält. Wo fahren wir bitte hin?! Keine Panik, bis jetzt lief alles wie am Schnürchen, also würden wir auch sicher bald in Takachiho ankommen. Endlich! Nach einer gefühlten Ewigkeit leuchteten die ersten Ampeln und Laternen Takachihos auf und schon bald kam der Bus zum Stehen. Müde wankten wir aus dem Fahrzeug und versuchten uns zu orientieren. Das Hotel hatte sich schnell gefunden und so waren wir an diesem Abend nur noch froh, ins Bett fallen zu dürfen, glücklich, dass wir schon einmal so weit gekommen sind...

05. Januar:
Takachiho gilt als sagenumwobener Ort, um den sich so einige japanische Mythen ranken. Wir wollten uns natürlich selbst davon ein Bild (bzw. mehrere) machen und standen deshalb schon früh auf, um genügend Zeit zu haben, um auf den Spuren der Götter und Dämonen wandeln zu können.
 Die Takachiho Schlucht sollte unser erstes Ziel sein. Leider war sie von unserem Hotel ca. 40 min zu Fuß entfernt. Wir fragten den freundlichen Hotelier an der Rezeption, ob es einen Bus dorthin gäbe. Er legte seinen Kopf schief, zog die Luft scharf durch die Zähne und verneinte, aber hey, wir sollten ihm doch folgen. Er trat aus dem Hotel heraus und lief über den Parkplatz. Was hatte er denn nun vor? Wollte er uns den Weg zur nächsten Bushaltestelle zeigen oder uns ein Taxi rufen? Nein, Herr Hotelier spielte selbst den Taxifahrer! Er zog einen Autoschlüssel aus der Hosentasche und öffnete die Türen eines kleinen weißen Autos. Hontoni (=wirklich)? Ja sicher, er führe uns gerne zur Schlucht, das würde ihm nichts ausmachen. Na das ist doch mal ein Service! Arigatou gozaimasu, Hotelier-san!

Die Takachiho Schlucht war unglaublich! Unglaublich schön und unbeschreiblich. Schon als wir Fotos machten, ärgerten wir uns, dass die Bilder nichts davon wiedergeben konnten, was wir in echt sahen und so ist es auch beim Schreiben des Blogs eigentlich unmöglich in Worte zu fassen, was man einfach mit eigenem Auge gesehen haben muss. Eines steht jedoch fest: Beim Anblick dieser hohen, scharfkantigen Felsen, des rauschenden Wasserfalls, sowie des türkisblauen Wassers, begann ich mich zu fragen, ob es sich wirklich um Mythen und Sagen handle, von denen man sich hier so viel erzählt...






Nachdem wir die Schlucht durchlaufen hatten, schauten wir uns den Takachiho Schrein an, um uns danach hungrig auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen.  In einem winzigen Udon Restaurant, wärmten wir uns auf und betrachteten das geschäftige Tun des Udonkochs, der in rasender Geschwindigkeit mit einem riesigen Messer Gemüse zerkleinerte und die Udon mit einem Sieb durch die Luft wirbelte.


Ich studierte die Speisekarte, um herauszufinden, was so Feines geboten war und um unter anderem mein kümmerliches Kanji Wissen auf die Probe zu stellen. Leider kam ich nicht weit und blickte hilfesuchend um mich. Neben mir saß eine für Japanerinnen untypisch, kräftigere Frau mit einem freundlichen, runden Gesicht. Ich fragte sie, ob sie mir sagen könnte, welches der Gerichte zu empfehlen sei. Sie würde mir die Udon-Suppe mit Pilzen und Bambussprossen empfehlen, die habe sie gerade bestellt. Schon bald waren Sarah und ich mit Fumiko und ihren zwei Kindern im Gespräch und sie schlug vor, uns ihr Sushi Restaurant zu zeigen, welches sich wenige Straßen weiter befinde.

...der Vater hat sich geschickt auf einen Hocker gestellt, um nicht so klein zu wirken ;)
Doch dabei blieb es nicht, - diese wahnsinnig freundliche Familie fuhr uns zu unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten Takachihos, die es zu besichtigen galt und die wir ohne Auto nicht hätten anschauen können. So verbrachten wir den ganzen Tag mit ihnen. Nach dem Mittagessen zeigten sie uns den Amano Iwato Jinjya, einem Schrein, der sich in einer Höhle befindet. Genau hier trafen wir zufällig auf Mona, eine von uns Deutschen, der Schreck und die Freude war groß. Wieso bitte trifft man sich zufällig und ausgerechnet in Takachiho? In so einem abgelegenen Ort! Unheimlich :)
Die Höhle des Schreins ist für eine der berühmtesten Mythen Japans bekannt, denn dort habe sich einst die japanische Sonnengöttin Amaterasu vor ihrem Bruder Susanoo versteckt, da sie über seine schlimmen Taten so bestürzt war.

Susanoo
Durch ihren Rückzug erlosch das Sonnenlicht und es wurde finster auf der Welt. Die anderen Götter berieten sich und versuchten Amaterasu wieder aus der Höhle herauszulocken. Ein lustiger Tanz der Göttin Ama no Uzume weckte ihre Neugier und sie verließ ihr Versteck. So wurde es wieder hell auf der Erde.
In der Höhle befanden sich lauter kleine und größere Steine, die aufeinaner gestapelt waren, Nimmt man sich ein Steinchen und legt es auf so ein Gebilde, so darf man sich etwas wünschen.

Amano Iwato Schrein

Sie wünschen?
Später ging es noch auf den Aussichtspunkt Kunimigaoka, von dem aus man in knapp 500m Höhe einen schönen Blick über Takachiho und Umgebung hatte. Fumiko erzählte mir, dass an diesem Ort die Götter auf die Erde herabgestiegen sind und dass man sich dort selbst wie ein Gott fühlen kann, der auf die kleine Welt herunterblickt. Wohl wahr!


Kunimigaoka
Zum Abschied schenkte Fumiko jedem von uns eines der typischen Glücksanhänger, die in Japan so beliebt sind und die es je nach Ort in den unterschiedlichsten Ausführungen, zu kaufen gibt. Sie fuhr uns zu unserem Hotel zurück und verabschiedete sich, sichtlich gerührt mit der Bitte, doch bald wieder nach Takachiho zu kommen. So lieb!
Am selben Abend noch fuhren Sarah und ich mit dem Bus weiter nach Nobeoka, einem unglaublich hässlichen Ort, der nicht weiter erwähnenswert ist und lediglich als Übernachtungsort diente. ;)

6. Januar:
Um 08:30h fuhr unser Zug nach Miyazaki City, 80km südlich von Nobeoka. Unseren ersten Halt des Tages machten wir in Aoshima, einer kleinen Insel unterhalb Miyazakis. Aoshima ist umgeben von vom Meer verformten Steinen, die Oni no sentakuita (="Waschbrett des Dämons") genannt werden.


Aoshima und oni no sentakuita
Auf dieser Palmen bewachsenen Insel befindet sich ein Schrein, Aoshima Jinjya. Dort gab es, ähnlich wie in Takachiho eine Möglichkeit, sich etwas zu wünschen. Auf einem mit Muscheln betürmten Felsen, konnte jeder eine weitere Muschel dazulegen und an einen Wunsch denken.



Aoshima und allgemein Miyzaki haben einen sehr südseeähnlichen Flair, der im Sommer durch noch mehr Touristen und Surfer verstärkt wird. Sarah und ich gönnten uns an einem der unzähligen Läden ein Eis und lauschten dem sich ständig wiederholenden  Onigiri to Nikuman Lied, bei dem es um Reisbällchen und mit Fleisch gefüllte Teigtaschen geht. Vom Essen können die Japaner wirklich ein Lied singen...
Nachmittags fuhren wir nach Miyazaki City, um in unserem Hotel einzuchecken und die Stadt ein bisschen zu erkunden.Gegenüber unserem Hotel befand sich ein Laden mit japanischen Süßigkeiten, unter anderem Daifuku, meiner neuesten Lieblingssüßspeise. Sie besteht aus mit anko (Azukibohnenpaste), Frischkäse und Früchten gefülltes weißes Mochi. Unverschämt lecker!

Daifuku
7. Januar:
Da wir zwei Nächte in Miyzaki eingeplant hatten, kauften wir uns für umgerechnet 10 € die Miyazaki Touristen Buskarte, mit der wir für einen Tag durch ganz Miyazaki City mit jedem beliebigen Bus fahren konnten. Erstes Tagesziel: Sun-Messe Nichinan,- die welterste Kopie der sieben Moais der Osterinseln. 700 Yen war zwar ein unverschämter Eintrittspreis, den wir jedoch dank des unglaublichen Blicks auf den Ozean und des traumhaften Wetters schnell vergaßen.



Mittags fuhren wir weiter zum Udo Jingu, einem Schrein, der direkt am Meer in riesige Felsen gebaut ist, an denen sich hohe Wellen brechen und von denen man eine perfekte Sicht auf den tiefblauen Ozean hatte. Udo Jingu war an diesem Samstag bevölkert von japanischen Familien, die hier herpilgerten, um für das Wohlergehen ihrer Kinder zu beten und zu bitten. Wir schauten uns alles genau an und wunderten uns, weshalb so viele Japaner etwas ins Meer warfen und dabei sichtlich ihren Spaß hatten. Bei näherem Hinsehen konnten wir feststellen, dass sie undama, kleine aus Ton geformte Glücksbällchen auf einen Felsen zu werfen versuchten, welcher in Form einer Schildkröte sich unterhalb der steilen Abhänge befand. Die Menschen glauben daran, dass beim Treffen des Schildkrötensteins ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Japaner scheinen viele Wünsche zu haben und noch viel mehr Möglichkeiten, diese in Erfüllung gehen zu lassen. Egal ob Stein, Muschel oder Münze, egal ob gestapelt oder geworfen und egal wohin, ob Schildkröte, Höhle oder Teich, ich will mal hoffen, dass all ihre Mühe nicht umsonst sein wird.

Schildkrötenstein

Udo Jingu


Den Abend und somit auch unsere Reise, ließen wir in einem Restaurant ausklingen, in dem es die Spezialität Miyazakis chicken nanban gab, frittierte Hühnerbrust mit Reis, Nudelsalat, Krautsalat und unglaublich viel Remoulade. Obwohl ich dem Fleisch eigentlich abgeschworen habe, so musste dieses Gericht doch probiert werden, was sich auch wirklich gelohnt hat. Dennoch ist mein Fleischbedarf damit wieder gestillt, da es Sarah und mir danach doch leicht unwohl war,- die Portionen waren für japanische Verhältnisse einfach zu riesig und wir sind einfach nichts mehr gewöhnt. :)

8. Januar:
Schweren Herzens verließen wir morgens um 9:30h das schöne Miyazaki mit dem Ziel vor Augen, im Sommer nochmals herzukommen.
Da wir für unsere Reise das Seishun 18 kippu gekauft hatten, ein Zugticket, mit welchem man für 115 € fünf Tage (die nicht aufeinanderfolgend sein müssen und wir es deshalb schon für unseren Nagasaki Ausflug verwendet hatten) lang, durch ganz Japan fahren kann, bestand uns nun eine lange Heimreise bevor und zwar nur mit den langsamen Zügen. Das machte uns aber nichts, da man dadurch umso mehr von Kyushu zu sehen bekam.
Auch die jeweils ca. eineinhalb bis zweistündigen Umsteigeaufenthalte an irgendwelchen verlassenen Bahnhöfen, machten uns nichts, da es immer etwas zu sehen gab. In Miyakonojo z. B entdeckten wir zufällig einen kleinen Bauernmarkt, auf dem es schöne, japanische Schüsseln, Tassen und Schalen zu kaufen gab. In Yoshimatsu trafen wir wieder auf Mona (wieder zufällig), die ein paar Tage in Kagoshima bei Freunden verbracht hatte. Und in Yoshihito besichtigten wir (mal wieder) einen Schrein, der in das warme Licht des yugata (japanischer Spätnachmittag/Frühabend) getaucht war. 
Hier wurden wir auch von einer etwas älteren Japanerin mit ihrem Dackel Lili angesprochen. Nach den obligatorischen Fragen nach Herkunft, Alter und Grund des Aufenthaltes, lud sie uns auf eine Tasse Tee bei ihrer Freundin ein. Diese besaß eine kleine Galerie, in der gerade japanische Töpferkunst ausgestellt wurde. Wir wurden mit grünem Tee, Gebäck und Geschichten versorgt und hatten schon bald die Befürchtung, unseren Anschlusszug zu verpassen. Zum Abschied und als Proviant gab es mal wieder Mikan und die Dackeldame und Lili begleiteten uns dann noch rechtzeitig zu unserem Zug und warteten, bis der Zug vollständig aus dem Bahnhof gerollt ist.
Und ein weiteres Mal kann ich mich nur wundern (und freuen), wie schnell die sonst so für schüchtern und schwer zugänglich gehaltenen Japaner Vertrauen zu einem fassen und wie offen sie auf einen zugehen.

Nach einer vierzehnstündigen Zugfahrt, kreuz und quer durch Kyushu, kamen wir todmüde um Mitternacht am Kashii Bahnhof an. Schön wars!
Mata ne!