Donnerstag, 19. Juli 2012

Yamakasa Matsuri

Jaaa, es ist über einen Monat her, seit ich von mir hab lesen lassen, aber jetzt will ich mal wieder ein bisschen berichten. Und zwar vom Yamakasa Matsuri, dem größten traditionellen Fest Hakatas, einem Stadtteil Fukuokas. 
Jedes Jahr Anfang Juli beginnen die Vorbereitungen dieses großen Ereignisses. An mehreren Stellen Hakatas werden die riesigen so genannten KazariYamas aufgebaut. Kunstvoll geschmückte, meterhohe Schreine, die jeweils eine eigene Geschichte erzählen, geschichtliche aber auch aktuelle Dinge, die in den letzten Monaten in Hakata passiert sind. Ein einziger Kazari Yama kostet einige Millionen Yen und es ist kaum vorstellbar, dass zum Ende des Festes jedes der Kunstwerke komplett zerstört wird. Neben den Kazari Yama gibt es die Kaki Yama, welche den Kazari Yama ähneln, allerdings nicht ganz so hoch gebaut sind.

Kazari Yama

Kaki Yama

Diese kleineren Kaki Yama werden am Morgen des 15.Juli von 20 bis 30 Männern 4 km weit geschleppt und zwar so schnell wie nur möglich. Es treten mehrere Gruppen gegeneinander an und die erste startet um 4:59h am Kushida Schrein, wo sie in einer Minute um einen Mast rennen muss, um die Gunst der Shintogötter zu erhalten und dann ihren Lauf zu starten. Dieser Lauf ist nicht ganz ungefährlich, da man leicht stürzen und unter den tonnenschweren Schrein gezogen werden kann. Vor zwei Jahren sei einer der Teilnehmer beim Abbiegen zwischen Kaki Yama und einer Straßenlaterne geraten und hat sich dabei schwer verletzt. Unser Dozent des Seminars über die Kultur Fukuokas nimmt selbst jedes Jahr am Yamakasa teil und konnte uns deswegen einiges darüber berichten.
So zum Beispiel auch darüber, dass es so einige Tabus zwischen dem 1. und 15.Juli gibt. Zum Einen dürfen nur Männer an dem Lauf teilnehmen, welche in dieser Zeit nicht mit Frauen schlafen dürfen, da dies Unglück bringen würde. Zum Anderen dürfen keine Männer teilnehmen, die unter einer Hautkrankheit leiden (das gilt als unrein) oder ein Verwandter von ihnen in dem Jahr gestorben ist. Harte Regeln, deren Sinn viele von uns nicht verstehen können, aber angeblich entspringen diese Tabus dem Shintoismus, in welchem Frauen ursprünglich als unrein angesehen wurden. Da stellt sich die Frage, ob man ein Auge zu drücken soll und sich denkt, dass es sich hierbei um Tradition handelt, die nun eben einfach so ist und man es akzeptieren soll? Oder soll sich Tradition mit der Zeit wandeln? Sollen Bräuche geändert werden, weil die Gesellschaft sich auch ständig wandelt? Und wo sind dann die Grenzen zwischen Tradition und Moderne? Verschwindet Tradition, dadurch dass man gewisse Regeln und Konventionen ändert, weil sie nicht mehr als akzeptabel angesehen werden oder kann man den Kern bewahren?

Am 7.Juli fand eine Mini-Version des Yamakasa statt, das Kodomo (=Kinder) Yamakasa, welches ähnlich wie das eigentliche Fest abläuft, allerdings nachmittags, mit nicht ganz so schweren Schreinen und einer kürzeren Strecke. Zur Veranschaulichung ein kleines Video:



Nein, die Kinder und Männer laufen nicht halbnackt herum, sondern tragen sogenannte Happi, die ähnlich wie die Lendenschurze der Sumo Ringer um den Unterleib gewickelt werden.
Es traten insgesamt 5 Gruppen gegeneinander an, deren jeweilige Zeit gestoppt wurde und von ihren Fans lautstark angefeuert wurden. Es war interessant zu sehen, wie schon im jungen Alter, die Kinder in dieses Fest hineinwachsen und sie lernen, wie sie sich richtig verhalten müssen, um Verletzungen zu vermeiden.
Am Abend des 14.Julis machten sich Cora, Rinko, Ellen aus Schweden und ich auf nach Hakata um dort die Nacht am Ufer des Nakasu Flusses zu warten. Es war eine laue Sommernacht, gefühlte 30°C (tagsüber sind es durchschnittlich 34°C bei 70% Luftfeuchtigkeit) und ein fast klarer Himmel. Zuvor gingen wir noch in einen 24h Supermarkt, kauften uns eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken und warteten dann mit noch so einigen anderen Zugereisten (jährlich kommen eine knappe Millionen Besucher zum Yamakasa) auf den Morgen. Um 4h trafen wir uns mit weiteren Auslandsstudenten, um dann einen geeigneten Platz zum Zuschauen zu finden. Da wir etwas spät dran waren, gelang es uns nicht, direkt am Straßenrand eine Stelle zu ergattern, so dass vor uns einige Zuschauer standen und wir letztendlich nicht wirklich viel sehen konnten. Außerdem waren wir doch ziemlich müde von der durchwachten Nacht, weshalb wir uns bald auf den Heimweg machten und gegen 6h früh in unsere Betten fielen. Schön war's und eine Erfahrung wert!


Mittwoch, 30. Mai 2012

Okinawa - mensoure!

Vergangenes Wochenende machte sich eine zum Teil sonnenhungrige Gruppe von  3 Japanerinnen und 4 Deutschen am Freitag Abend auf den Weg zum Flughafen Fukuokas. Von dort aus nahmen sie den Flieger ins Paradies Okinawa. Sonne, weißer Sandstrand und blaues Meer sollten sie dort erwarten, was will man da denn mehr?


Tropische 28°C begrüßten uns abends am Flughafen in Naha und die Vorfreude auf die kommenden zwei Tage wurde noch größer. Hungrig wie wir alle waren, machten wir uns noch vor dem Check-in im Hotel auf in ein Restaurant mit Spezialitäten der Insel.
Goya chanpuru, eine Gemüsepfanne mit Bittergurke (goya), Tofu und Ei war besonders gut, genauso wie Okinawa Soba, die ortstypische Nudelsuppe.

goya chanpuru
Am nächsten Tag weckten uns noch immer die recht hohen Temperaturen, doch war der Himmel bewölkt, es nieselte leicht und von der Sonne war nichts zu sehen. Und bei so einem Wetter soll man die als so schön geltenden Strände Okinawas als solchige erleben können? Ich war skeptisch, aber gut, fahren wir erst einmal zu einem der Strände hin und überzeugen uns selbst...
Ein selbstgemachtes Schild mit japanischer Schrift aus Muscheln zusammengesetzt, begrüßte uns am Fuß der Treppen, die hinunter zum Strand führten. Mensoure! - "Willkommen" auf Ryukyu, der eigenen Sprache Okinawas, welche heutzutage allerdings kaum noch gesprochen wird.

mensoure!

Der Strand sah vielversprechend aus: weißer Sand, grünbewachsene Felsen, glasklares Wasser und ein Strandhäuschen mit einem kleinen Restaurant und Tauch-Ausrüstungen, die zum Trocknen über das Verandageländer gehängt worden sind. Eine richtige Südseestimmung kam auf, aber leider auch ein kalter Wind. Trotzdem wagten wir uns ins Wasser, die Deutschen im Bikini und die Japanerinnen in langärmeligen Oberteilen, um sich vor der Sonne zu schützen. Lustig, wir würden alles tun, um einen Ton dunkler zu werden, während man hier so gut es geht versucht, die edle Blässe beibehalten zu können. Sei es mit Handschuhen, Sonnenschirm oder langärmeligen Kleidungsstücken. Zu dunkel ist genauso ungesund wie zu blass...
Zu Gunsten der Sonnenhungrigen kam diese im Laufe des Tages dann auch endlich hinter den Wolken hervor und zauberte verschiedene Blautöne auf das Meer. Hach, ich hätte dort ewig bleiben können...




Samstag Abend streiften wir durch die kokusai douri, einer langen Straße im Zentrum Nahas, welche aus einer Reihe von omiyage (Souvenir) -Läden bestand, die neben verschiedenen kulinarischen Spezialitäten wie beni-imo (purpurfarbene Süßkartoffel)- Eis oder chinsuko, einer Art Buttergebäck auch eigenartigere Waren anboten wie riesige, bauchige Flaschen, welche mit habu-shuu (habu = eine Giftschlangenart, die auf Okinawa vorkommt, shuu = japanischer Reisschnaps) gefüllt sind. Richtig, die Flasche beinhaltet Hochprozentiges und eine Schlange und hat mir einen riesen Schreck bereitet, als ich sie zum ersten Mal in einem Laden gesehen habe. Muss so was denn sein?! Genauso wie eine kleine krötenförmige Handtasche, bei der ich mir nicht sicher war, ob sie aus echten Kröten gemacht war oder nicht. Eklig!


Beni-imo Eis, yummie! :)
Am Sonntag hatten wir leider nur den halben Tag Zeit und so beschlossen wir, uns das Schloss Shuri-jou anzusehen, welches im 14.Jahrhundert von dem damaligen König Okinawas erbaut wurde. Leider waren mir zu viele Touristen vor Ort, als dass wir uns das Gelände in aller Ruhe hätten ansehen können. Trotzdem, beeindruckend war das Hauptgebäude schon, von innen wie von außen.




Egal wohin man auf Okinawa schaut, nicht weit entfernt entdeckt man so gut wie immer einen Shiisaa, einen Inselgott Okinawas in Gestalt eines Löwen oder Hundes (kann man nicht genau sagen). Er sitzt bevorzugt auf Dächern oder an Hauseingängen und meistens im Doppelpack, - ein Shiisaa mit geöffnetem Maul a und einer mit geschlossenem un. Der eine fängt das Glück ein, der andere lässt es nicht mehr los und beschützt Haus und Herr vor bösen Geistern.


"a"

"un"


Okinawa ist eine schöne Insel, mit einer beeindruckenden Natur, schönen Stränden und blauem Meer, doch leider kamen wir uns teilweise fehl am Platz vor. Die Einwohner waren nicht so freundlich wie man uns so oft in Fukuoka behandelte, sondern eher reserviert, kühl und teils richtig misstrauisch. Warum?
Nein, wir haben uns nicht daneben benommen, aber wir wurden oft für Amerikaner gehalten, welche auf Okinawa besonders von den älteren Menschen nicht sehr geschätzt werden. Noch heute sind mehr als 10% der Insel von amerikanischen militärischen Einrichtungen besetzt und knapp 27.000 U.S Truppen dort stationiert. Und das, obwohl Okinawa seit 1972 wieder zu Japan zählt, nachdem es nach dem zweiten Weltkrieg in U.S-amerikanischen Besitz übergegangen ist. Teilweise kann ich schon nachvollziehen, dass gerade die ältere Generation Probleme damit hat, doch finde ich es falsch, deswegen gleich jeden nicht-japanisch aussehenden Menschen, der sich die Insel näher ansehen möchte, eher unfreundlich zu behandeln. Natürlich sind die meisten Ausländer, die sich auf der Insel aufhalten aus Amerika, doch ist das keine Entschuldigung dafür, jeden gleich in den selben Topf zu werfen. Und selbst wenn wir Amerikaner wären, hätte ich es als unfair empfunden, so voreingenommen behandelt zu werden. Ein schwieriges Thema, bei dem sich nicht sagen lässt, wer falsch und wer richtig liegt, aber eines ist klar: unbedingt wohl fühlt man sich nicht, wenn man dort Urlaub macht und so freuten wir uns doch auch, wieder im freundlicheren Fukuoka gelandet zu sein. Okaeri! - Willkommen daheim! :)


Mata ne!

Mittwoch, 23. Mai 2012

Eine goldene Woche, Besuch Nr. 3 und ein paar andere Gedanken

Mehr als ein Monat ist seit meinem letzten Eintrag vergangen und ich bin echt faul geworden. Entschuldigt. Ich hab mich wohl mittlerweile so gut eingelebt, dass mir viele Dinge als weniger erwähnenswert vorkommen. Dennoch sollte ich mal wieder etwas von mir lesen lassen, vor allem weil doch einiges passiert ist und mir Japan auch nach knapp 8 Monaten immer wieder Seiten zeigt, über die es sich doch lohnt zu schreiben.

Die erste Maiwoche war eine goldene, zumindest bestand sie aus 5 Feiertagen, der Golden Week oder goruden wiiku. Sie beinhaltet den "Verfassungstag", den showa-Tag (Geburtstag des Kaisers Hirohito 29.4.1901), den midori no hi (= grüner Tag, weshalb konnte ich nicht herausfinden) und dem Kindertag.
In Fukuoka findet jedes Jahr am 3. und 4.Mai das hakata dontaku matsuri statt (dontaku wird abgeleitet von dem holländischen Wort zondag = Sonntag und wurde in der Meiji-Ära festgelegt, in welcher das alte Japan "modernisiert" wurde und man gerne westliche Einflüsse verwendete).
Hakata dontaku matsuri ist ein riesiges Fest, mit unglaublich vielen Menschen, viel zu essen, Musik, einer großen Parade und alten Traditionen, die seit Jahren am Leben erhalten werden.
Ein Beispiel dafür ist der chigo-mai Tanz, der von einem Mädchen im Kimono getanzt und von Jungen auf alten japanischen Instrumenten begleitet wird. Ungefähr 20 Erwachsene in traditioneller Kleidung sitzen daneben und "bewachen" das Geschehen. Sie tragen Papierhelme auf denen das Kanji kabuto, (= Kriegsrüstung), geschrieben steht. Während des Tanzes setzen sie die Helme auf, um die Kinder zu "beschützen", doch wenn sie durch die Straßen ziehen, nehmen sie sie ab, um eine friedliche Stimmung zu symbolisieren.


Um diesen Tanz zu sehen, trafen wir uns schon um 8 Uhr früh mit unserem Dozenten Ichiki (Ein Experte für die fukuokanische Kultur) in Hakata. Während des Tanzes war es unglaublich still, man konnte nur die leisen Schritte desMädchens auf der Tatami-Matte und die Instrumente der Jungen hören. Sehr beeindruckend, wie ernsthaft die Kinder diesen Brauch nahmen.
Nach dieser Darbietung fand die Matsubayashi Parade statt. Eine Parade, an der Shamisen (japanisches Saiteninstrument) spielende, Kimono tragende Frauen teilnahmen, sowie Männer, die wohl eine lange Nacht hinter sich hatten und neben beschmückten Bambusstöcken, die ein oder andere dezente Alkoholfahne hinter sich herzogen. Aber sie waren gut gelaunt, steckten uns Mochi  zu oder übergaben uns einen der glückbringenden Bambuszweige.


Mittelpunkt dieser Parade sind drei der sieben Glücksgötter: Ebisu (Gott des Handels und der Fischerei), Fukujin (Gott des Wohlstands und des langen Lebens) sowie Daikokuten (Gott der Landwirtschaft). Sie werden von maskierten Männern auf Pferden dargestellt, die mit dem ganzen Gefolge vor ausgewählten Läden Hakatas Halt machen, um ihnen Glück und Wohlstand zu bringen.




Nach der Matsubayashi Parade gingen wir zu einem Platz in Hakata (auf dem übrigens das Oktoberfest stattgefunden hat), auf welchem sich verschiedene Gruppen und Vereine trafen, um sich für die große Dontaku Parade zu sammeln, zu üben und sich aufzustellen. Ein kurzes Video bietet vielleicht einen kleinen Einblick in das sehr bunte und lebhafte Treiben:


Ja, das war so das wichtigste was es über das Dontaku Matsuri zu schreiben gibt. Wir hatten alle sehr viel Spaß, lernten eine Menge neuer Leute kennen und erhielten einen tiefen Einblick in die über 700 Jahre alte Geschichte Fukuokas/Hakatas mit all ihren Bräuchen und Traditionen.


 Vom 7. bis zum 19. Mai besuchten mich mein Vater und seine Freundin Maria in Fukuoka. Ich zeigte ihnen die Stadt, Canal City, den Kushida Schrein und andere Orte, von denen der ein oder andere im Blog erwähnt wurde. An einem Tag fuhren wir nach Karatsu, einer Stadt knapp 50 km süd-westlich von Fukuoka gelegen. Dort stiegen wir auf den Kagami-yama (=Spiegelberg) um von dort oben mit einem wunderschönen Ausblick auf das Meer, umliegende Berge und Karatsu selbst, belohnt zu werden.


Nun ist auch mein letzter Besuch hier in Fukuoka wieder gut daheim in Deutschland angekommen. Ich habe mich über alle drei Besuche sehr gefreut, durfte unglaublich viele und schöne Erlebnisse mit ihnen teilen und ihnen einen Einblick in mein derzeitiges Leben hier in Japan verschaffen.Wenn ich zurück bin, kann ich gewisse Erinnerungen gemeinsam mit ihnen hervorrufen, worauf ich mich jetzt schon sehr freue. Danke :)
Ich weiß nicht weshalb, aber die letzten paar Wochen denke ich sehr viel nach, über mich, daheim und über das Leben hier. Ich merke, dass obwohl mir hier vieles sehr gefällt (Menschen, Kultur, Natur) mir jedoch auch einiges nicht so passt und mir Dinge, Ansichten und vor allem Menschen von Zuhause fehlen.
Japan ist in vielen Dingen so gegensätzlich, dass man es lieben und gleichzeitig sich auch darüber aufregen kann. Zu viel des Guten kann auch das Gegenteil bewirken, so führt zu viel Höflichkeit und Bescheidenheit zu Unwohlsein des Gegenübers. Zu viele Verpackungen verursachen zu viel Müll und zu viel Denken in Kategorien (Hierarchien in sämtlichen alltäglichen Situationen) führt zu Stillstand in der Gesellschaft.Wichtig hierbei ist allerdings, dass ich nur be-urteile und nicht ver-urteile. Ich hoffe, dass bei meinen Ansichten nichts missverstanden werden kann.
Das war das Wort zum Donnerstag, ich werde versuchen, bald wieder von mir hören zu lassen.

Mata ne!

Sonntag, 8. April 2012

Frühling auf Kyushu - Hanami und Besuch Nr. 2

Der Wetterbericht im Fernsehen zeigte in den letzten Wochen nicht nur Sonnenschein und Regenschirm auf der Japankarte, sondern auch rosane Blüten an. Sehen in Japan Schneeflocken etwa anders aus und hat sich der Frühling doch nochmals vom Winter einschüchtern lassen?
Nein, hier wurde bis vor Kurzem noch täglich bzw. stündlich diskutiert und prophezeit, wann denn endlich die Kirschblüte sakura, ganz Japan in zartrosa und weiß eintauchen würde...

Pünktlich zum Besuch meiner Cousine Doro und ihrem Freund Micha war es dann so weit! Weiße Blüten, blauer Himmel, blaue Plastikplanen und blaue Japaner! Der ganze Ohori Park in Fukuoka war bevölkert von alt und jung, um hanami (hana = Blüte, mi= sehen) zu feiern, wie man es tatsächlich aus Filmen und Berichten kennt.
Als wir uns das Getummel von Nahem ansahen, dauerte es nicht einmal 5 Minuten bis dass wir von einer Gruppe Japaner mittleren Alters angesprochen wurden. Setzt euch zu uns, woher kommt ihr, wollt ihr mit uns essen und trinken? Jaaa natürlich!


Im Laufe des Nachmittags stellte sich heraus, dass es sich bei dem fröhlichen Grüppchen um einen Sushi-Restaurant-Besitzer, seinen Angestellten und seinen wohl treuesten Gästen handelte. Und weil der japanische Frühling es nicht eh schon gut genug mit uns meinte, wurden wir zum Sushi essen in selbiges Restaurant eingeladen. Oishikattayo! Das war lecker!
Doch nicht nur im Ohori Park blühen die Kirschbäume in voller Pracht, auch bei uns auf dem Uni-Gelände kann man sie bestaunen. In Japan beginnen Schule, Uni und Arbeitsjahr immer im April, weshalb die zweite Hälfte unseres WJC-Programms zusammen mit dem neuen Unijahr anfängt und lauter neue internationale Studentinnen eingetroffen sind.
Beim "Kennenlern-Ausflug" ging es über das Wochenende nach Hiroshima und Miyajima. Morgens um 8h fuhr unsere quirlige Truppe aus alten Hasen und Neuankömmlingen aus Schweden, Belgien, Indonesien, Deutschland, Thailand und Korea mit dem Bus los. Erste Pipi-Pause war auf der Brücke (ihr Name ist mir entfallen) welche die Hauptinseln Kyushu und Honshu miteinander verbindet.


Nach einer knapp vierstündigen Fahrt gab es in Hiroshima ein kurzes Mittagessen, bevor es dann in den Peace-Park und das Atomic Bomb Museum ging. Im Peace Park steht das bekannte Friedensdenkmal (gembaku domu; Atomic Bomb Dome), sowie mehrere Schaukästen mit hunderten gefalteten Kranichen. Sadako, ein japanisches Mädchen, welches den Atombombenangriff auf Hiroshima überlebte, erkrankte kurz darauf an Leukämie und begann, 1000 Kraniche zu falten. In Japan steht dieser Vogel für Glück und Gesundheit, sowie ein tausendjähriges Leben. Die Krankheit schwächte das Mädchen jedoch so sehr, dass ihre Familie ihr beim Falten helfen musste. Die 1000 wurde zwar erreicht, doch überlebte das Mädchen nicht.

heiwa = Frieden


Nach dem eher bedrückenden Besuch des Atomic Bomb Museums, war es Zeit für ein bisschen Aufmunterung, wofür das Modern Art Museum Hiroshima sehr gut geeignet war. Es handelte sich hierbei um ein In- und Outdoor Museum mit einigen witzigen Kunstwerken, die zum Blödeln bestens geeignet waren.




Als wir irgendwann genug hatten und es auch anfing zu regnen, fuhren wir mit dem Bus weiter zum Hafen Hiroshimas, um die Fähre auf die kleine Insel Miyajima zu erwischen. Die bekannteste Sehenswürdigkeit dieses schönen Ortes (welcher übrigens zu den drei schönsten Japans gehört) ist wohl das O-torii, ein riesiges orangenes Tor, welches im Wasser vor dem itsukushima Schrein steht. Herrscht Ebbe, so kann man dorthin zu Fuß gehen, doch sahen wir es uns lieber beleuchtet bei Nacht an.


Auf dem Schreingelände läuft zahmes Wild umher, das für Gelächter sorgte, da Yuko, eine Japanerin und Mitarbeiterin an unserer Uni behauptete, dass diese shika doch total die haato-sheputo oshiri hätten. (Foto folgt noch)
Stimmt, herzförmig ist des Rehs Hinterteil schon ein wenig...aber diese Ziege übertrifft wohl jegliche seltsamen Ansichten. Mir ist aufgefallen, dass man in Japan nicht sonderlich darauf zu achten scheint, ob eine Ziege sich wirklich in ein Kleid reinzwängen will, was wohl eher zu Heidi passt, oder ob ein Hund zur Abwechslung auch mal selber laufen möchte, anstatt in Hundewägen geschoben zu werden oder Biene Maja Kleidchen und Schuhe tragen zu müssen.


Am zweiten Tag streiften wir vormittags durch die kleinen Gassen Miyajimas, bestaunten nochmals die Kirschblüten, sowie das große orangene Tor im Tageslicht und hatten das Glück eine japanische Hochzeitsgesellschaft beim Fotografieren zu beobachten.



Mittags ging es wieder zurück nach Hiroshima und von dort wieder nach Fukuoka, jedoch mit einem Zwischenstopp bei der 1673 errichteten Brücke kintai-kyo der Stadt Iwakuni. Diese Brücke besteht aus 5 hölzernen Bögen und durfte während der Feudalzeit nur von den Samurai überquert werden. Heutzutage ist sie eine der beliebtesten Touristen- und hanami-Ziele der Japaner und nun darf natürlich jeder darüber gehen, so lange er willig ist, 300Yen zu zahlen. Da gönnt man sich doch lieber ein Softeis zum selben Preis und schaut sich die Menschenmassen vom Flussufer an.


Ja, das war so unser erster größerer Ausflug in diesem Semester, weitere werden folgen!
Mata ne!

Dienstag, 20. März 2012

Frühling in Kyoto - Besuch Nr. 1

Zur Zeit sind Semesterferien, mein Projekt, welches ich zu bearbeiten hatte ist vollendet und ich genieße meine freie Zeit bis Anfang April, bevor die zweite Hälfte meines japanischen Aufenthaltes beginnt. Und weil nun bald Halbzeit ist, passte es auch perfekt, dass mich mein Freund Malte besuchen kam.


18 Tage ein Stück Heimat hier in der Fremde und 2 neue Augen, die einen Blick auf die japanische Kultur und in die Gesellschaft Japans warfen.
Da Fukuoka zwar vieles zu bieten hat, aber für einen fast dreiwöchigen Aufenthalt nicht so ganz ausreicht, fuhren wir für 5 Tage nach Kyoto, welches einst die japanische Hauptstadt war. Mit dem Nachtbus ging es am Abend des 6. März von Fukuoka aus auf eine teils unbequeme, sehr stickige (in japanischen Bussen kann es glaub ich nicht warm genug sein, zumindest ähnelte die Luft einer finnischen Sauna und durch die Fenster konnte man kaum sehen, da sie so beschlagen waren) Fahrt in Richtung altes Japan. Nach knapp zwölfstündigem schweißtreibendem, 80km/h schnellem Rollens erreichten wir früh morgens den Hauptbahnhof Kyotos. Schlaftrunken torkelten wir aus dem Bus und machten uns auf die Suche nach unserem Hostel in Gion, dem ehemaligen Geisha- und heutigem Partyviertel.
Da wir erst um 15h auf unser Zimmer konnten, stellten wir unser Gepäck ab und machten uns auf eine kleine Erkundungstour durch die Gassen des noch sehr verschlafenen Gions.


Und wie es so typisch für Japan ist, offenbarte sich vor uns ganz plötzlich, nach kleinen geduckten Häuschen und nicht ganz so schönen Betonkästen, ein enormer Tempel, der Chion-in (1234 errichtet), dessen Eingangstor mit seinen 24 Metern Höhe das größte Japans ist.

das Tor passte gar nicht komplett aufs Bild ;)
Im Inneren der riesigen Tempelanlage gab es eine Halle in der ein vergoldeter Buddha uns aus seinen halbgeschlossenen Augen friedlich anblickte. Malte und ich gesellten uns zu ein paar Japanern, die sich vor der Statue niedergelassen hatten und die Stille (abgesehen von dem Baustellenlärm, der von außen in den Raum drang) genossen. Ein schon etwas älterer Japaner neben mir begann auf einmal leise zu singen, womöglich alte japanische Rezitationen, danach klang es jedenfalls.


Da wir beide noch ziemlich fertig von der Fahrt waren, streunerten wir nach der Tempelbesichtigung nur noch ein bisschen durch die Gegend, um die Zeit bis zum Hostel-Check-in zu überbrücken.
Am nächsten Tag ging es ausgeschlafener auf eine weitere Erkundungstour, diesmal in Richtung Nishiki Markt, einer ewiglangen, überdachten schmalen Straße, die durch aneinandergereihte Läden und Stände voller frischem Fisch, Süßigkeiten, Spezialitäten aus Kyoto (Tintenfisch am Spieß), Geschirr sowie Obst und Gemüse führte. Manches konnte man kostenlos probieren, vorausgesetzt man traute sich.


Nishiki Markt


 
Nach dieser kulinarischen Vielfalt ging es bei Abenddämmerung zum Fushimi Inari Schrein, welcher für seinen ca. 4 km langen Pfad, bestehend aus mehreren Hundert orangenen torii (japanische Tore) besteht. Rechts und links des Weges saßen immer wieder kleine steinerne Fuchswächter, die zur mystischen, ein wenig unheimlichen aber zugleich auch schönen Stimmung beim Durchschreiten der torii sorgten.
Doch nicht nur der Pfad, die ganze Schreinanlage hatte etwas Geheimnisvolles im Schein der unzähligen Lichter, die die Gebäude nahezu unwirklich erscheinen ließen.

Fushimi Inari




So beleuchtet dieser Abend war, so trüb war der folgende Tag, an dem wir in das 45 min. entfernte Nara fuhren, ausgestattet mit Regenschirm und undichten Schuhen. Schon am Bahnhof reizte es uns nicht sonderlich, in den Regen hinauszutreten, doch hinderte uns der teure Fahrpreis an der Rückfahrt (nee, nee, nee, nee, neee, wenn man schon mal da ist, dann gibt man sich das auch). Also Regenschirm aufgespannt und hinein ins nasse Vergnügen zum Todai-ji, einem alten Tempel, der als größtes rein aus Holz gebautes Gebäude der Welt gilt. Beeindruckend war auch die bronzene Buddhastatue in seinem Inneren, 15 m hoch und 450 t schwer.

Todai-ji



Auf dem Tempelgelände lief unter anderem dämlich dreinblickendes Wild umher, was wild auf Kekse war, die extra an Ständen verkauft wurde. Dämlich sind genauso die Touristen, die dieses Angebot zunächst als gute Investition ansehen, dann aber entsetzt schreiend das Weite suchen und sich wundern, wenn sie von 20 hungrigen Rehen umzingelt werden. Auch wenn Schilder auf die Boshaftigkeit dieser Tiere hinweisen, durften wir so manch lustiges Zusammentreffen von Wild und Tourist genießen.


Am darauf folgenden Tag war das Wetter wieder besser, so dass wir uns den riesigen Park des Kaiserpalastes in Kyoto ansahen, wieder durch die Straßen Kyotos streiften und so manch komische Kreatur entdeckten:

erinnert mich an einen ehemaligen Mathelehrer

Im Hostel empfahl uns eine freundliche Niederländerin, sich das Lampionfrühlingsfest in den Gassen Gions anzusehen. Gesagt, getan und mit der Abenddämmerung ließen wir uns von der Menschenmenge mitziehen, die sich durch die gepflasterten, von verschiedenen Lampions gesäumten Wege schoben,  vorbei an kulinarischen Kostproben und Souvenirläden, hin zum Jishu-jinja, einem weiteren beleuchteten Schrein.

 

Jishu-jinja
Am letzten Tag unseres Aufenthaltes fuhren wir zum Kinkaku-ji. Jaaa, ich merk schon, eigentlich sieht man in Kyoto vor lauter Tempel und Schreine das Wesentliche nicht mehr. Als würde es nichts anderes geben?! Doch, sicherlich, aber diese heiligen japanischen Stätten sind gerade in Kyoto besonders schön und riesig. Und so einen goldenen Tempel wie den Kinkaku-ji sieht man ja auch nicht alle Tage!


Eine 10-minütige Busfahrt von diesem Goldkäfig entfernt, liegt Arashiyama, ein Viertel im Westen Kyotos, welches für seine Bambuswälder bekannt ist. Hier findet man trotz Touristenmassen die typische japanische Natur: dicke, grüne Bambusstämme, kleine Berge und ein ruhig dahinfließender Fluss und zwischen all dem ein Grüppchen anmutig tippelnder Maikos, sowie schwarze Rikshas mit ninjaähnlichen Rikshafahrern.


...und mittendrin ein tanzender Malte!
Eine kulinarische Besonderheit Kyotos möchte ich niemandem vorenthalten, der plant, nach Kyoto zu reisen: okonomiyaki (eine Art japanischer gefüllter Pfannkuchen, der in anderen Regionen Japans in Form und Zutaten variiert). Gefüllt mit einem Spiegelei, kleinen Garnelen, Gemüse, Ingwer etc. und garniert mit einer rauchigen dunklen Soße, ein absolutes Muss, vor allem in dem Restaurant, welches wir entdeckt haben. Da lenkt das Lokale doch schon sehr vom Kulinarischen ab:

...von außen...
...und innen eine interessante Wanddekoration...

...sowie charmante Tischgesellschaft!
Ja, Kyoto hat so seine Reize, vor allem wenn man vor lauter Schreinen, Tempeln und Touristen nicht den Überblick verliert. Es lohnt sich aber allemal, da hier noch ein Hauch des alten Japans durch die schmalen Gassen weht, wenn eine maiko (Lerngeisha) einem zunickt oder eine Riksha vorbeirattert.

Mata ne!