Mittwoch, 28. Dezember 2011

Meri Kurisumasu! Homuvisito! Nagasaki!

Meri Kurisumasu? Wasn das schon wieder? Ja, so seltsam wie dieser Auspruch klingt, so komisch ist auch Weihnachten in Japan. Wie man wohl ohne Weiteres aus meinen bisherigen Einträgen rauslesen konnte, hat Weihnachten hier sehr wenig mit der europäischen Feierweise zu tun. Kommerz lautet die Devise, kauft was das Zeug hält, schmückt die Straßen mit so vielen Lichterketten, wie es nur möglich ist und beschallt die eifrigen Konsumenten in jedem Geschäft mit kaum wieder zu erkennenden Neuinterpretationen von "Stille Nacht" oder "Last Christmas".
Und weil das eben so ist, wie es ist, haben wir unser uns bekanntes Weihnachten bei Sarah in der WG gefeiert mit einer schön gedeckten Tafel, überzogen mit einer besternten Tischdecke (aus Papier), einem Weihnachtstännchen (aus Plastik), allerlei Weihnachtsdeko (über die es sich streiten lässt, ob schön oder kitschig), Weihnachtsmusik aus dem Internet und natürlich Essen!!

Lucys Räucheropa




Ja! Ein ganzes Dreigängemenü haben wir uns gekocht, angefangen bei Bruscetta, übergehend zu Kässpätzle und als Abschluss ein heißer Schokokuchen mit Vanilleis und Orange. Überflüssig zu erwähnen, dass allerhand Süßkram und Plätzchen sich dazu gesellten...

Glühwein selbstgemacht, yummy!
 


Auch wenn ich anfangs ein wenig traurig war, weil kein einziger Gruß, weder in Brief- noch in Paketform aus Deutschland rechtzeitig zu Heiligabend bei mir eingetroffen ist, da die deutsche und japanische Post wohl leicht überfordert war (mittlerweile trudeln die Verspätungen ein, - auch schön), hab ich den Abend sehr genießen können. Es war einfach so gemütlich mit den Mädels in Sarahs warmer Wohnküche zu sitzen, zu quatschen, "Love Actually" anzusehen (mein alljährliches Muss!), unsere Geschenke auszutauschen und zu sehen, wie sich jeder über die Aufmerksamkeiten des anderen freut. :)
Ja, es war mal etwas ganz Anderes, so weit weg von daheim zu feiern,- anders aber auch schön!

Am ersten Weihnachtsfeiertag (und in Japan der eigentliche Weihnachtstag) hab ich mal wieder meine Gastfamilie getroffen. Chizuko und die zwei Kinder (der arme Vater Hiroki musste dahem bleiben, um ca. 130 Nengajo [=Neujahrskarten] zu schreiben, zum Glück "nur" am Computer) holten mich wie immer mit dem Auto ab, um dann nach Uminonakamichi, einem vom Wohnheim 10 Minuten entfernten Ort am Meer zu fahren. Nach dem Mittagessen in einem kleinen Restaurant mit Blick aufs Wasser, machten wir noch einen Strandspaziergang bei strahlendblauem Himmel, eisigem Wind und riesigen Wellen. Sooo toll!



Meine zwei Gastgeschwisterchen haben sich sehr über die Weihnachtsgeschenke, die mir meine Mama aus Deutschland geschickt hat, gefreut, denn abends als ich wieder im Wohnheim war, kam noch eine liebe SMS meiner Gastmutter mit einem Foto als Ausdruck ihrer Freude.


So und nun zum umfangreichsten Erlebnis, von dem ich jetzt berichten werde. Sarah und ich waren vom 27. auf den 28. Dezember in Nagasaki, eine knapp dreistündige Zugfahrt entfernt von Fukuoka.
Morgens um Neun ging unser kleines Abenteuer los, voller Vorfreude auf zwei Tage weg vom doch manchmal langweilig werdenden Wohnheim. Die Zugfahrt gestaltete sich als ein Kinderspiel, da wir die genauen Uhrzeiten und Umsteigeorte im Internet nachgeschaut haben und in Japan wie so vieles, auch der Zugverkehr überpünktlich und höchst präzise ist. Ich hab irgendwo mal gelesen, dass die größte Verspätung eines japanischen Zuges zwei Minuten betrug. Da kann sich die Deutsche Bahn mal eine Scheibe abschneiden!

...irgendwo kurz vor Nagasaki, eine lange Strecke entlang am Meer!
"NAGASAKI. NAGASAKI desu!", so empfing uns eine freundliche, weibliche Lautsprecherstimme, die an jeder Haltestelle gleich klang, aber eine richtige Stimme war und kein Band.


Vom Bahnhof aus, machten wir uns direkt auf die Suche nach dem Hostel, dass laut ausgedruckter Google-maps Karte ganz einfach zu finden sein sollte. Denkste! Wir irrten bestimmt eine geschlagene Stunde in der Nähe des Bahnhofs herum, drehten und wendeten die Karte und wurden einfach nicht fündig. Plötzlich stand eine junge Japanerin neben mir sowie ihr etwas älterer Begleiter (um die 50 vielleicht, ohne irgendwelchen Blog-Lesern ihres Alters wegen, zu nahe treten zu wollen ;) )mit Zigartette im Mundwinkel und einem interessanten Kleidungsstil, der an die bunten Siebziger erinnerte. Sie war Musikerin und er vielleicht ihr Manager (oder vielleicht auch nicht). Beide waren unglaublich hilfsbereit und freundlich. Sie meinte, dass in Nagasaki alle so seien und nicht so wie in Tokyo, wo die Menschen angeblich nur Zeit für sich hätten und viel zu geschäftig seien. Mit ihrer Hilfe fanden wir dann auch schon bald unser Hostel.


Wie in der Internetrezension beschrieben, war es ein richtig gemütliches und freundliches Hostel, welches von Shinji, einem jungen Japaner geführt wird. Shinji eröffnete "Casa Noda" vor knapp einem Jahr und ist selbst ein wahrer Weltenbummler, der viel durch Nord- und Südamerika und Asien gereist ist. Er hatte volles Vertrauen in uns, meinte, dass wir uns in der Küche bedienen dürften, am nächsten Tag auschecken könnten, wann immer wir wollen und dass er jetzt erstmal heimfahren würde.
An sich ähnelte Casa Noda den anderen Hostels, die ich bis jetzt besucht habe, doch irgendwie war es doch auch anders. Im Bad standen Shampoo, Gesichtswaschmittel, Föhn und sonstige Kosmetikartikel zur Verfügung, alles "tada",- kostenlos. Doch wodurch es sich am meisten unterschied war die Einsamkeit, denn Sarah und ich waren die einzigen Gäste im ganzen Hostel, welches insgesamt 18 Betten hat. Das war dann wohl vorerst nichts mit Menschen aus aller Welt kennenlernen. Naja, war auch zu zweit ganz lustig.
Nachdem wir unser Gepäck verstaut hatten, zogen wir los, um durch Nagasaki zu stromern und die ganzen schönen Ecken zu entdecken.
Nagasaki ist die erste Stadt Japans, die sich dem Westen im 16. Jahrhundert geöffnet hat, als Portugiesen mit ihren Segelschiffen im Hafen eintrafen. Noch heute spürt man, dass eine gewisse westliche Atmosphäre in der Stadt herrscht. Es gibt mehrere Kirchen, Cafés, Straßenbahnen und einen superleckeren Kuchen namens "Kasutera" (abgeleitet von "Castella"), den die Portugiesen damals importierten und die Japaner sich zu einer Spezialität Nagasakis gemacht haben.



Nagasaki ist eine interessante Mischung aus europäischer, einheimischer und chinesicher Kultur.
Wir schauten uns einige Tempel an, unter anderem den Sofukuji Tempel, welcher 1629 von Chinesen erbaut wurde, was man auch an seiner Architektur erkennen kann.


Kurz darauf kamen wir an der "Meganebashi" oder "Spectacles Bridge" vorbei, eine der ältesten Steinbrücken Japans, welche aufgrund ihrer Form diesen Namen besitzt. Hat doch echt ein wenig Ähnlichkeit mit einer Brille? Sie wurde 1634 von dem chinesischen Mönch Mozi gebaut und führt über den Nakashima Fluss, der durch Nagasaki fließt.


Abends zog es uns nach "China Town, einem kleinen beschaulichen chinesischen Viertel Nagasakis mit lauter chinesischen Geschäften und Restaurants. Da wir allmählich Hunger bekamen, suchten wir uns ein nettes Restaurant aus, um eine weitere Spezialität Nagasakis zu probieren: "Chanpon", - eine chinesische Nudelsuppe mit Gemüse und Meeresgetier. Ach immer dieses Essen hier...


Der Verdauungsspaziergang führte uns an den Hafen Nagasakis, zum "Nagasaki Dejima Wharf", laut Shinji einem sehr romantischen Ort, mit Blick auf die beleuchtete Stadt. Sarah und ich hatten es eher lustig als romantisch und so blödelten wir lachend am Wasser entlang.



Wir holten uns noch ein Bierchen und Knabbereien in einem der vielen Konbini-Stores, um es uns dann im Gemeinschaftsraum in der südamerikanischen Hängematte von Shinji gemütlich zu machen. Prost!
Da wir ja nur zu zweit waren, aber eine nette fotografische Erinnerung an den Abend haben wollten, versuchten wir uns am Selbstauslöser meiner Kamera.
Geht doch... hihi!


Am nächsten Morgen fuhren wir mit der Tram in den Norden Nagasakis zum "Atomic Bomb Museum", welches in der Nähe des Bombenabwurfortes erbaut wurde. Es war interessant, so viel über den 9.August 1945 und seinen Folgen zu erfahren, doch hatten wir beide ein richtig beklemmendes Gefühl und vieles war schwer zu ertragen. Bilder von verletzten Kindern, verbrannten Opfern, Gegenstände, wie z. B von der enormen Hitze geschmolzenen Flaschen. Das Schlimmste waren aber die Berichte von Überlebenden, die von ihren schrecklichen Erinnerungen in Filmen erzählten. Wenn man so durch das Museum läuft, fragt man sich, weshalb die Menschen nicht so ganz daraus gelernt haben. Bei diesem Bombenabwurf kamen von ca. 240.000 Einwohnern knapp 75.000 Menschen ums Leben und weitere 75.000 wurden verletzt. Wie viele Opfer an den schweren Folgen starben, will man sich gar nicht ausdenken. Noch heute leiden viele Menschen, bis in die dritte Generation an Leukämie, Missbildungen etc.
Auch wenn es jedem gut tun würde, dieses Museum zu besichtigen, waren wir beide doch froh, als wir wieder draußen waren. Im nahegelegenen Nagasaki Peace Park verdauten wir unsere erworbenen Eindrücke und besichtigten die riesige Friedensstatue, welche 1955 als Mahnmal errichtet wurde. Die Figur streckt ihren rechten Arm zum Himmel, um an die Gefahren nuklearer Waffen zu erinnern, während der linke Arm waagrecht gehalten wird und dadurch den Frieden symbolisiert.


Nach dieser lehrreichen und ermahnenden Besichtigung stromerten wir weiter durch Nagasaki, durch seine kleinen Gassen und Ecken, bis wir zum Fukusaiji Tempel gelangten. Es handelt sich hierbei um einen Zen Tempel, welcher 1628 von Chinesen erbaut wurde und Bodhisattva Kannon, die buddhistische Göttin der Gnade auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte darstellt. 1945 wurde dieser Tempel von einem Feuer, das durch den Bombenabwurf ausgelöst wurde, zerstört und 1976 zur Ehre der Opfer wiedererbaut.


Ja, so interessant war unsere kleine Reise in den japanischen Westen und wir beide haben vor, auf jeden Fall im Sommer noch einmal herzukommen, allein wegen des freundlichen Hostels Casa Noda.
Nach einer mir ewig vorkommenden Zugfahrt, sind wir spät abends müde aber glücklich und voller neuer Eindrücke wieder in Fukuoka angekommen.

Mata ne Nagasaki! :)

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