Mittwoch, 28. Dezember 2011

Meri Kurisumasu! Homuvisito! Nagasaki!

Meri Kurisumasu? Wasn das schon wieder? Ja, so seltsam wie dieser Auspruch klingt, so komisch ist auch Weihnachten in Japan. Wie man wohl ohne Weiteres aus meinen bisherigen Einträgen rauslesen konnte, hat Weihnachten hier sehr wenig mit der europäischen Feierweise zu tun. Kommerz lautet die Devise, kauft was das Zeug hält, schmückt die Straßen mit so vielen Lichterketten, wie es nur möglich ist und beschallt die eifrigen Konsumenten in jedem Geschäft mit kaum wieder zu erkennenden Neuinterpretationen von "Stille Nacht" oder "Last Christmas".
Und weil das eben so ist, wie es ist, haben wir unser uns bekanntes Weihnachten bei Sarah in der WG gefeiert mit einer schön gedeckten Tafel, überzogen mit einer besternten Tischdecke (aus Papier), einem Weihnachtstännchen (aus Plastik), allerlei Weihnachtsdeko (über die es sich streiten lässt, ob schön oder kitschig), Weihnachtsmusik aus dem Internet und natürlich Essen!!

Lucys Räucheropa




Ja! Ein ganzes Dreigängemenü haben wir uns gekocht, angefangen bei Bruscetta, übergehend zu Kässpätzle und als Abschluss ein heißer Schokokuchen mit Vanilleis und Orange. Überflüssig zu erwähnen, dass allerhand Süßkram und Plätzchen sich dazu gesellten...

Glühwein selbstgemacht, yummy!
 


Auch wenn ich anfangs ein wenig traurig war, weil kein einziger Gruß, weder in Brief- noch in Paketform aus Deutschland rechtzeitig zu Heiligabend bei mir eingetroffen ist, da die deutsche und japanische Post wohl leicht überfordert war (mittlerweile trudeln die Verspätungen ein, - auch schön), hab ich den Abend sehr genießen können. Es war einfach so gemütlich mit den Mädels in Sarahs warmer Wohnküche zu sitzen, zu quatschen, "Love Actually" anzusehen (mein alljährliches Muss!), unsere Geschenke auszutauschen und zu sehen, wie sich jeder über die Aufmerksamkeiten des anderen freut. :)
Ja, es war mal etwas ganz Anderes, so weit weg von daheim zu feiern,- anders aber auch schön!

Am ersten Weihnachtsfeiertag (und in Japan der eigentliche Weihnachtstag) hab ich mal wieder meine Gastfamilie getroffen. Chizuko und die zwei Kinder (der arme Vater Hiroki musste dahem bleiben, um ca. 130 Nengajo [=Neujahrskarten] zu schreiben, zum Glück "nur" am Computer) holten mich wie immer mit dem Auto ab, um dann nach Uminonakamichi, einem vom Wohnheim 10 Minuten entfernten Ort am Meer zu fahren. Nach dem Mittagessen in einem kleinen Restaurant mit Blick aufs Wasser, machten wir noch einen Strandspaziergang bei strahlendblauem Himmel, eisigem Wind und riesigen Wellen. Sooo toll!



Meine zwei Gastgeschwisterchen haben sich sehr über die Weihnachtsgeschenke, die mir meine Mama aus Deutschland geschickt hat, gefreut, denn abends als ich wieder im Wohnheim war, kam noch eine liebe SMS meiner Gastmutter mit einem Foto als Ausdruck ihrer Freude.


So und nun zum umfangreichsten Erlebnis, von dem ich jetzt berichten werde. Sarah und ich waren vom 27. auf den 28. Dezember in Nagasaki, eine knapp dreistündige Zugfahrt entfernt von Fukuoka.
Morgens um Neun ging unser kleines Abenteuer los, voller Vorfreude auf zwei Tage weg vom doch manchmal langweilig werdenden Wohnheim. Die Zugfahrt gestaltete sich als ein Kinderspiel, da wir die genauen Uhrzeiten und Umsteigeorte im Internet nachgeschaut haben und in Japan wie so vieles, auch der Zugverkehr überpünktlich und höchst präzise ist. Ich hab irgendwo mal gelesen, dass die größte Verspätung eines japanischen Zuges zwei Minuten betrug. Da kann sich die Deutsche Bahn mal eine Scheibe abschneiden!

...irgendwo kurz vor Nagasaki, eine lange Strecke entlang am Meer!
"NAGASAKI. NAGASAKI desu!", so empfing uns eine freundliche, weibliche Lautsprecherstimme, die an jeder Haltestelle gleich klang, aber eine richtige Stimme war und kein Band.


Vom Bahnhof aus, machten wir uns direkt auf die Suche nach dem Hostel, dass laut ausgedruckter Google-maps Karte ganz einfach zu finden sein sollte. Denkste! Wir irrten bestimmt eine geschlagene Stunde in der Nähe des Bahnhofs herum, drehten und wendeten die Karte und wurden einfach nicht fündig. Plötzlich stand eine junge Japanerin neben mir sowie ihr etwas älterer Begleiter (um die 50 vielleicht, ohne irgendwelchen Blog-Lesern ihres Alters wegen, zu nahe treten zu wollen ;) )mit Zigartette im Mundwinkel und einem interessanten Kleidungsstil, der an die bunten Siebziger erinnerte. Sie war Musikerin und er vielleicht ihr Manager (oder vielleicht auch nicht). Beide waren unglaublich hilfsbereit und freundlich. Sie meinte, dass in Nagasaki alle so seien und nicht so wie in Tokyo, wo die Menschen angeblich nur Zeit für sich hätten und viel zu geschäftig seien. Mit ihrer Hilfe fanden wir dann auch schon bald unser Hostel.


Wie in der Internetrezension beschrieben, war es ein richtig gemütliches und freundliches Hostel, welches von Shinji, einem jungen Japaner geführt wird. Shinji eröffnete "Casa Noda" vor knapp einem Jahr und ist selbst ein wahrer Weltenbummler, der viel durch Nord- und Südamerika und Asien gereist ist. Er hatte volles Vertrauen in uns, meinte, dass wir uns in der Küche bedienen dürften, am nächsten Tag auschecken könnten, wann immer wir wollen und dass er jetzt erstmal heimfahren würde.
An sich ähnelte Casa Noda den anderen Hostels, die ich bis jetzt besucht habe, doch irgendwie war es doch auch anders. Im Bad standen Shampoo, Gesichtswaschmittel, Föhn und sonstige Kosmetikartikel zur Verfügung, alles "tada",- kostenlos. Doch wodurch es sich am meisten unterschied war die Einsamkeit, denn Sarah und ich waren die einzigen Gäste im ganzen Hostel, welches insgesamt 18 Betten hat. Das war dann wohl vorerst nichts mit Menschen aus aller Welt kennenlernen. Naja, war auch zu zweit ganz lustig.
Nachdem wir unser Gepäck verstaut hatten, zogen wir los, um durch Nagasaki zu stromern und die ganzen schönen Ecken zu entdecken.
Nagasaki ist die erste Stadt Japans, die sich dem Westen im 16. Jahrhundert geöffnet hat, als Portugiesen mit ihren Segelschiffen im Hafen eintrafen. Noch heute spürt man, dass eine gewisse westliche Atmosphäre in der Stadt herrscht. Es gibt mehrere Kirchen, Cafés, Straßenbahnen und einen superleckeren Kuchen namens "Kasutera" (abgeleitet von "Castella"), den die Portugiesen damals importierten und die Japaner sich zu einer Spezialität Nagasakis gemacht haben.



Nagasaki ist eine interessante Mischung aus europäischer, einheimischer und chinesicher Kultur.
Wir schauten uns einige Tempel an, unter anderem den Sofukuji Tempel, welcher 1629 von Chinesen erbaut wurde, was man auch an seiner Architektur erkennen kann.


Kurz darauf kamen wir an der "Meganebashi" oder "Spectacles Bridge" vorbei, eine der ältesten Steinbrücken Japans, welche aufgrund ihrer Form diesen Namen besitzt. Hat doch echt ein wenig Ähnlichkeit mit einer Brille? Sie wurde 1634 von dem chinesischen Mönch Mozi gebaut und führt über den Nakashima Fluss, der durch Nagasaki fließt.


Abends zog es uns nach "China Town, einem kleinen beschaulichen chinesischen Viertel Nagasakis mit lauter chinesischen Geschäften und Restaurants. Da wir allmählich Hunger bekamen, suchten wir uns ein nettes Restaurant aus, um eine weitere Spezialität Nagasakis zu probieren: "Chanpon", - eine chinesische Nudelsuppe mit Gemüse und Meeresgetier. Ach immer dieses Essen hier...


Der Verdauungsspaziergang führte uns an den Hafen Nagasakis, zum "Nagasaki Dejima Wharf", laut Shinji einem sehr romantischen Ort, mit Blick auf die beleuchtete Stadt. Sarah und ich hatten es eher lustig als romantisch und so blödelten wir lachend am Wasser entlang.



Wir holten uns noch ein Bierchen und Knabbereien in einem der vielen Konbini-Stores, um es uns dann im Gemeinschaftsraum in der südamerikanischen Hängematte von Shinji gemütlich zu machen. Prost!
Da wir ja nur zu zweit waren, aber eine nette fotografische Erinnerung an den Abend haben wollten, versuchten wir uns am Selbstauslöser meiner Kamera.
Geht doch... hihi!


Am nächsten Morgen fuhren wir mit der Tram in den Norden Nagasakis zum "Atomic Bomb Museum", welches in der Nähe des Bombenabwurfortes erbaut wurde. Es war interessant, so viel über den 9.August 1945 und seinen Folgen zu erfahren, doch hatten wir beide ein richtig beklemmendes Gefühl und vieles war schwer zu ertragen. Bilder von verletzten Kindern, verbrannten Opfern, Gegenstände, wie z. B von der enormen Hitze geschmolzenen Flaschen. Das Schlimmste waren aber die Berichte von Überlebenden, die von ihren schrecklichen Erinnerungen in Filmen erzählten. Wenn man so durch das Museum läuft, fragt man sich, weshalb die Menschen nicht so ganz daraus gelernt haben. Bei diesem Bombenabwurf kamen von ca. 240.000 Einwohnern knapp 75.000 Menschen ums Leben und weitere 75.000 wurden verletzt. Wie viele Opfer an den schweren Folgen starben, will man sich gar nicht ausdenken. Noch heute leiden viele Menschen, bis in die dritte Generation an Leukämie, Missbildungen etc.
Auch wenn es jedem gut tun würde, dieses Museum zu besichtigen, waren wir beide doch froh, als wir wieder draußen waren. Im nahegelegenen Nagasaki Peace Park verdauten wir unsere erworbenen Eindrücke und besichtigten die riesige Friedensstatue, welche 1955 als Mahnmal errichtet wurde. Die Figur streckt ihren rechten Arm zum Himmel, um an die Gefahren nuklearer Waffen zu erinnern, während der linke Arm waagrecht gehalten wird und dadurch den Frieden symbolisiert.


Nach dieser lehrreichen und ermahnenden Besichtigung stromerten wir weiter durch Nagasaki, durch seine kleinen Gassen und Ecken, bis wir zum Fukusaiji Tempel gelangten. Es handelt sich hierbei um einen Zen Tempel, welcher 1628 von Chinesen erbaut wurde und Bodhisattva Kannon, die buddhistische Göttin der Gnade auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte darstellt. 1945 wurde dieser Tempel von einem Feuer, das durch den Bombenabwurf ausgelöst wurde, zerstört und 1976 zur Ehre der Opfer wiedererbaut.


Ja, so interessant war unsere kleine Reise in den japanischen Westen und wir beide haben vor, auf jeden Fall im Sommer noch einmal herzukommen, allein wegen des freundlichen Hostels Casa Noda.
Nach einer mir ewig vorkommenden Zugfahrt, sind wir spät abends müde aber glücklich und voller neuer Eindrücke wieder in Fukuoka angekommen.

Mata ne Nagasaki! :)

Mittwoch, 21. Dezember 2011

Kurisumasu Laitsu!

...vielleicht noch zur Aufklärung des vorigen Blog-Eintrags: es handelt sich hierbei um eine reine Phantasiegeschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert, Ähnlichkeiten der Charaktere mit existierenden Personen sind vollkommen beabsichtigt und auf keinen Fall zufällig. ;)
Letzten Sonntag hat Mona, die vierte Abenteurerin der deutschen Fraktion, die vereinten Kräfte der indonesischen, deutschen und schwedischen Hände zusammengerufen, um aus einem mehrteiligen Haribo-Lebkuchenhaus-Set ein "Sweets Paradise" zu bauen. Die mitgelieferten Zuckerpuppen Hänsel und Gretel haben den langen Flug aus Deutschland mehr oder weniger gut überstanden. Gretel wurde leider geköpft, ob es der deutsche oder der japanische Zoll war, lässt sich nicht sagen, doch munkelt man in Märchenkreisen, dass es womöglich doch die Hexe gewesen ist, da sie zwei Sitze im Flugzeug beanspruchte und Gretel nicht weichen wollte, weil sie vom mittleren Sitz dann nicht mehr so eine gute Sicht auf den feschen Stewart gehabt hätte. Wie dem auch sei, diese Vorkommnisse waren letztendlich eine gute Quelle für den vorigen Eintrag.



Wir hatten einen sehr schönen vierten Advent, auch wenn wir uns wunderten, wie schnell Weihnachten mal wieder vor der Tür steht, aber das ist ja nichts Neues!

Letztens wurden wir vier von dem an der FWU dozierenden Professor Holst (schon bekannt aus einem früheren Blogeintrag über den Nou-Tanz) zu der alljährlich stattfindenden Weihnachtsfeier der Deutsch-Japanischen Freundschaft eingeladen. Eine, ich möchte sie als "interessante" bezeichnen, Weihnachtsfeier im Herzen Fukuokas in einem riesigen (wahrscheinlich in den geschmacklosen 90ern erbauten) Tagungsraum eines riesigen Hotels.



Es war schön mit so vielen Japanern sich unterhalten zu können, denn Jung und Alt interessierten sich sehr für die weithergereisten "Exoten". Doch auch wenn die meisten von ihnen nett waren, so gab es auch (wie immer und überall) sehr komische Persönlichkeiten, wie zum Beispiel einen alten Herren mit knallrotem Gesicht (von zu viel Glühwein), der schon deutlich "yopparai" (dieses Wort ist ein geniales Beispiel für die japanische Onomatopoesie...spricht man es aus, so kann man richtig mitschunkeln und den Alkoholpegel spüren) war und von Lucy energisch wissen wollte, ob die Amerikaner in Deutschland auch immernoch stationiert seien. Die Burschen würden auf Okinawa noch immer ihr Unwesen treiben. Der Gute hat sich so richtig in Rage geredet und die arme Lucy gar nicht mehr zum leckeren Buffet gehen lassen, so dass sie letztendlich kaum was vom leckeren Stollen oder den belegten Brötchen (Wecken, Semmeln....sucht euch was aus) abbekommen hat. Jaaa, bei aller Liebe der Deutsch-Japanischen Freundschaft, beide Länder benehmen sich genauso dämlich am Buffet, denn hier zählte das Motto "Wer zuerst kommt, frisst zuerst und wer zu spät kommt den bestraft der Hunger!".


Eine weitere interessante Erscheinung war ein Shinto-Priester, der im von uns nahegelegenen Kashii-Schrein seiner Tätigkeit nachgeht. Er belagerte mich und Lucy so richtig, überreichte uns stolz seine Meishi (=Visitenkarte), lud uns zu einer privaten Führung durch den Schrein ein und erzählte freudestrahlend, dass er sich sehr für Deutschland interessiere, vor allem für deutsche Filme, bevorzugt von Leni Riefenstahl...ah soudesuka (="aha, verstehe")!! Unglaublich für was man sich so als Shinto-Priester interessiert und dann von deutschen Studentinnen erwartet, in dieser Richtung noch mehr erklärt zu kriegen. Anfangs schien er mir ganz sympathisch, doch im Laufe des Abends kehrte sich mein Bild von ihm ins Gegenteil um, nicht nur wegen seiner Interessen, sondern auch wegen seiner Art, wie er uns behandelte à la "Meine Frau muss ja nichts wissen, aber wir könnten doch nachher noch was trinken gehen." "Chigauyou(=falsch) Herr Shinto-Priester, ich hab noch ein Skype-Date mit meiner Frau Mutter, Sie entschuldigen?!"

Gut, dass dann auch bald schon Santa-san kam und unsere volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Lustig, dass auf einer Deutsch-Japanischen Feier Santa-san trotzdem noch der amerikanischen Vorstellung des Cola trinkenden Weihnachtsmännchens entspricht. Der heilige Sankt Nikolaus hat den weiten Weg wohl einfach nicht geschafft (ohnehin wäre er eh schon viel zu spät, da der 6.12 schon Ewigkeiten zurück liegt). Zannen!!
Und Knecht Ruprecht macht wohl auch schon Urlaub und hat stattdessen Harry Potter oder sonstige Zaubergestalten engagiert. Aber okay, wir wollen ehrlich sein, Santa-san und Professor McGonagall haben ihren Job sehr gut gemeistert und den Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubern können (ohne Zauberstab!).

Meeeri Kurisumassssu!
Eine Japanerin, die Deutsch lernt, fragte mich an der Getränke-Ausgabe: "Wieso heißt das eigentlich "Grühnwein"? Der ist doch rot?" Lieb!
Zum Schluss mussten wir deutschen Studenten (es waren noch andere von der Kyushuu-Uni und der Fukuoka-Uni vorhanden) ein Liedchen trällern und alle sangen mit! Oh du fröhliche!!

...eine Tombola durfte natürlich auch nicht fehlen!
Heute war ich mit Sarah, Mona und Minori, eine sehr liebe und lustige Japanerin aus der Uni, in Tenjin, um die dortigen "Kurisumasu-Laitsu" zu bestaunen. Wirklich sehr reizend diese schillernden, blinkenden Figuren. Da wird einem ganz warm ums Herz! Nee, an sich war das so gar nicht mein Geschmack, aber wir hatten trotzdem einen sehr lustigen Abend, da man mit Minori immer was zum Lachen hat und wir alle die Zeit zusammen genossen haben.
Hier ein paar Impressionen ;)



san zaru
Eine Eislaufbahn ohne Eis!

Santa-saaaan!




Schön nicht wahr?!
Mata ne!

Sonntag, 18. Dezember 2011

Hänsel und Pilzl, oder die wahre Geschichte des großen Hakuhou...

Es war einmal ein Geschwisterpärchen, das nicht unterschiedlicher hätte sein können. Der Jüngling hieß Hänsel und litt an Übergewicht, da er den ganzen Tag nur von Mochi und Elisenlebkuchen lebte. Seine Schwester hörte auf den Namen Pilzl. Ein reizendes junges Mädchen, immer hilfsbereit und freundlich. Ihr richtiger Name war eigentlich Pia Luiza, aber da man sie aufgrund ihrer Schwerhörigkeit ständig rufen musste, ging "Pilzl" einfacher über die Lippen. Niemand weiß, was zum Zeitpunkt ihrer Geburt in den Köpfen der Eltern vorging, zumindest nichts Gutes. Da ihre Tochter mit einem Pilzkopf geboren wurde, schienen sie sehr mit sich und der Welt zu hadern und dies an ihrem genug gestraften Kind auszulassen, indem sie ihr so einen scheußlichen Namen gaben. Bei Pilzls Erscheinungsbild handelt es sich nicht um einen simplen Beatles-Haarschnitt, nein, die Arme trug einen richtigen Fliegenpilz auf ihrem Hals.
Mit zunehmendem Alter wuchs ihr "Kopf", nahm ein kräftiges Rot an und auch die weißen Punkte darauf, wurden immer deutlicher. Auch die Abneigung ihrer Eltern gewann an Ausmaß. So kam es, dass sie eines Tages den Anblick ihrer Tochter nicht mehr ertragen konnten. Hänsel und Pilzl mussten das Elternhaus verlassen, unter anderem auch, weil Hänsel seinen Eltern die Haare vom Kopf aß.
Es war an einem eisigen Dezembertag, wenige Tage vor Weihnachten, um genauer zu sein war es der vierte Advent als die beiden Kinder früh morgens ihr trautes Heim verließen, um in die große, weite Welt zu ziehen. Doch wohin? Da Pilzl keine Augen auf ihrem Pilz hatte und Hänsel nur an Essen denken konnte, entschieden sich die beiden dazu, einfach geradeaus zu laufen und zu sehen, wohin sie der Weg führte. Sie liefen und liefen und liefen, durch Tenjin, den Kashii Markt und letztendlich durch den Tachibana Yama Wald. Ein düsterer Wald aus dichten Bambusstämmen und Mikanbäumen auf denen ein paar hungrige Blatttröten saßen und nervige Quieklaute von sich gaben. "Eeeedelweiß" schallte es von einem Ast. Erschrocken blickte sich Hänsel um. Zu gern hätte er sich eine Mikan gepflückt, da sein Mochi-Proviant schon seit Beginn ihres Fußmarsches aufgebraucht war und die Konbini-Stores ausgerechnet an diesem Tag entschlossen hatten, ihre 24-stündigen Service-Zeiten um die Hälfte zu verkürzen. Zannen!
Da die Blatttröten ihn feindselig anblickten, traute er sich nicht, nach einer goldgelben Frucht zu greifen und so musste er sich damit zufrieden geben, an französisches Gebäck oder Reisbällchen zu denken, was seiner Figur sicher nicht schadete.
"Ich kann nicht mehr!", schniefte Pilzl und wischte sich eine Träne aus einem weißen Punkt. Genau in diesem Moment hielt ein weißer Toyota, von der Sorte Familienkutsche, neben den Kindern.
Ein junges Pärchen blickte aus dem Auto heraus und fragte freundlich, wohin die beiden denn zu dieser späten Uhrzeit wollten. "Irgendwohin, wo es etwas zu essen gibt, Udon, Ramen, Mochi, ganz egal, ich würde jetzt sogar Nattou (fermentierte Sojabohnen) essen können.", meinte Hänsel. "Habt ihr denn überhaupt Mikan, die ihr uns im Gegenzug geben könnt? Hänsel blickte hoffnungsvoll zu den Blatttröten hinauf, doch schüchterte ihn das schallende "Eeeeedelweiß" zu sehr ein, als dass er für eine Autofahrt sein Gehör riskiert hätte.
"Gut, dann leider nicht.", meinte der junge Mann am Steuer schulterzuckend. "Aber wenn ihr weiter geradeaus lauft, vorbei an den Kouyou-Bäumen und dem Haus des "hen na ojisan", dann gelangt ihr nach 5 Minuten zum "Sweets Paradise", einem Haus ganz aus Lebkuchenteig. Viel Glück!"
Die beiden schöpften neue Hoffnung, bedankten sich durch übertriebenes Verbeugen und Kopfnicken (zumindest Hänsel) und machten sich sogleich auf den Weg in Richtung Sweets Paradise. "Du Hänsel, weißt du was mein größter Wunsch ist?", fragte Pilzl ihren Bruder. "Ich würde so gerne einmal ein Foto in einem Purikura-Automaten machen. Ich will so gerne wie alle anderen Mädchen überdimensional große Augen dadurch kriegen sowie eine pfirsichfarbene, reine Haut. Meinst du, ich werde das irgendwann einmal machen können?"  Hänsel überlegte und meinte, dass es sicher irgendwann möglich wäre, da die heutige Schönheitschirurgie doch alles richten könne. Damit gab sich seine Schwester vorerst zufrieden und so trotteten die beiden weiter durch den Wald, vorbei an den Kouyou-Bäumen und dem Hause des "hen na ojisan", bis sie endlich am Sweets Paradise ankamen.
Beeindruckt blieb Hänsel stehen und blickte auf all die guten Sachen, aus denen das Häuschen gebaut war. "Erzähl, erzähl, wie sieht es aus?", quengelte Pilzl, die ja leider nichts sehen konnte. "Einfach zu gut, wir sind im wahrsten Paradies angelangt, Pilzl!"
"Irasshaimaseeeee! Sweets wa ikaga desuka?" (=Tretet näher, möchtet ihr etwas von den Süßigkeiten?) ertönte eine Stimme aus der Türe des Häuschens. Eine ältere Japanerin mit grauen Löckchen, die unter einem Kopftuch hervorschauten, winkte die beiden Kinder einladend in des Lebkuchens Innere. "Ihr dürft so viel essen wie ihr wollt. Greift zu!" Hänsel ließ sich das natürlich nicht zweimal sagen und griff beherzt zu einem dicken Mochibällchen. Nur Pilzl stand stumm an der Türschwelle und hatte keinen Durchblick. "Ach Gottchen, Kind. Wie siehst du denn aus?", fragte die Alte. "So kannst du doch nicht herumlaufen?!" Bestürzt strich sie über den Fliegenpilz und murmelte vor sich hin. Wie alte Frauen in Lebkuchenhäusern eben sind, hatte auch diese hier magische Fähigkeiten, die sie aber natürlich nicht ohne Gegenleistung anwenden wollte. Nachdenklich blickte sie sich zu Hänsel um, der gerade dabei war, das als Sitzgelegenheit dienende Onigiri Reisbällchen zu verdrücken. "Du da, denk doch nicht immer an das Essen, sondern zur Abwechslung auch mal an deine Schwester." Hänsel hörte auf zu kauen und blickte die Hexe fragend an. Izumi, so hieß die Hexe, erklärte ihm, dass sie Pilzl ein neues Gesicht zaubern würde, wenn er dafür dreimal beim Mochitsuki mithelfen und als Sumoringer im diesjährigen Tachibana Tournament antreten würde. Hakuhou würde sein Kampfname sein und großer Erfolg sei ihm vorhergesagt. Dafür dürfe er auch so viel essen wie er wolle. Und nicht zu vergessen, er müsse Pilzls neuen Kopf vom Dach des Lebkuchen holen, ohne auf den Weg dorthin etwas vom Haus zu essen. Das klingt zwar schwierig, doch nach einem fairen, machbaren Deal, dachte sich Hänsel und willigte ein. So kam es, dass zwei arme Kinder ein neues Zuhause gefunden hatten, ein erfolgreicher Sumo Hänsel und eine großäugige Pia Luiza, die einmal die Woche mit Izumi nach Tenjin fährt und dort Purikurabilder macht. Owari!


Dies ist eine wahre Geschichte, welche ich in Kurzfassung geschrieben habe, sich aber eigentlich auf den Zeitraum Oktober-Dezember 2011 bezieht und in Fukuoka, Japan mehr oder weniger stattgefunden hat. ;)
Ich wünsch euch allen einen schönen Adventssonntag, sowie eine verbleibende, entspannte Adventszeit!
Mata ne!

Sonntag, 4. Dezember 2011

"mochitsuki" und "lussekatter"

Ichi, ni, ichi, ni, ichi, ni...in einem beeindruckenden Tempo schlugen die beiden Männer mit den bunten Bandanas um die Stirn, die schweren Holzschläger in den steinernen Bottich, in welchem sich ein weißer, zäher Klumpen befand, - Mochi, bzw. Mochi in seiner Entstehungsphase.



Es war Samstag und wir standen in der Sporthalle der Grundschule in Sasaguri, dem Ort, wo meine Gastfamilie wohnt und Miyabi, meine Gastschwester zur Schule geht. Wie so gut wie an jedem Wochenende regnete es in Strömen und ich war, dank meines ausgeprägten Optimismus, bis auf die Haut durchnässt, da ich es bis jetzt für unnötig gehalten habe, mir einen Regenschirm zuzulegen (bei mir scheint doch immer die Sonne,haha!). So war es nicht verwunderlich, dass ich auf dem zwanzigminütigen Fußmarsch vom Bahnhof zur Schule in einen Wolkenbruch geraten bin und wie ein begossener Pudel mit meinen tapferen Mädels in der Schule ankam.
Dort wurden wir vom Schuldirektor persönlich begrüßt und mit "Surippa", Hausschuhen versorgt, worüber ich sehr erleichtert war, da selbst meine Stiefel vor Nässe trieften.

Man geleitete uns in ein Zimmer namens "mitingu rumu", in welchem man uns erst einmal wie Grundschüler in zwei Gruppen einteilte, um einen besseren Überblick über 15 nasse Studentinnen zu erhalten und sie durch die einzelnen Klassenzimmer zu führen, angefangen bei der Sporthalle, in welcher wir einer Masse von kleinen japanischen Schülern begegneten, alle mit bunten Bandanas, bzw. mit Kopftüchern bei den Mädchen.

Im mitingu rumu

Wir kamen uns ein wenig wie auf einer Ausstellung von ungewöhnlichen Kreaturen vor (was wir ja auch sind...), da keiner der Kleinen sich scheute, uns anzustarren und ein frech aussehender Junge mit Zahnlücke zu einem anderen sogar meinte: "gaikokujin dajou!",- "Das sind Ausländer!". Es wurde noch komischer, denn bevor es auf diesen "fieldtrip" ging, teilte man uns Namensschilder aus, welche wir uns um den Hals hängen mussten und auf denen unter anderem unser Herkunftsland stand. "Doitsujin, mite mite, doitsujin desu!" ("Eine Deutsche, schau schau, die is aus Deutschland!"), rief ein noch frecher dreinblickender Bandanazwerg und zeigte grinsend mit dem Finger auf mein Namensschild. 

Wie dem auch sei, ich lauschte lieber dem "ichi, ni, ichi, ni" der starken Papas und verfolgte mit Staunen ihre schnellen, aufeinander abgestimmten Schläge, da ich ständig fürchtete, dass jemand anderes getroffen werden würde.
In einem anderen Raum traf ich meine Gastmama Chizuko, die mit anderen Müttern schöne, runde Mochibällchen in Papierschalen setzten, ein Noriblatt darauf legten und mit einer speziellen Sojasauce beträufelten. Die Kinder saßen alle brav in ordentlichen Reihen auf dem Boden, mit ihren Stühlen vor sich, welche zu Tischchen umfunktioniert worden sind. Das Ganze machte nicht den Eindruck als würden sie viel über Mochitsuki lernen, sondern nur dort sitzen und von den Mochimamas vollgestopft werden. Die Glücklichen, aber ich blieb davon übrigens auch nicht verschont! Yatta!


Im mitingu rumu hatte man mittlerweile auch einen riesigen Steinbottich aufgestellt, so dass jeder von uns sich selbst mal im Mochischlagen versuchen konnte.


Gar nicht so einfach! Da bevorzugte ich es eher, den fertigen Mochiteig zu runden Bällchen, die sich in der Hand so angenehm anfühlten, zu formen und mit "Kinako", einem ein bisschen nach Erdnussbutter schmeckenden Pulver aus Sojabohnen, zu bestäuben. Klar, dass wir einige davon sofort vernaschten.

Kinako-Mochi
Mit runden Mochibäuchen ging es mittags dann wieder zurück ins Wohnheim, worüber ich sehr froh war, da mich eine heiße Badewanne und trockene Kleidung erwarteten. Und außerdem mussten Maria, Mona und ich noch ein Geschenk für Sonja besorgen, da sie am zweiten Advent Geburtstag hatte und wir sie überraschen wollten.
Und zwar hiermit:


...einer unverschämt gutaussehenden "Shokoraadentorute", die uns in Tenjin in einer angeblich deutschen Konditorei, angelacht hat. Der Geschmack war in Ordnung, konnte aber nicht ganz mit dem Äußeren mithalten. Außen schön, innen weniger...
Neben der Kuchenspachtelei waren wir natürlich auch selbst fleißig. Sonja und Maria zeigten uns, wie man "lussekatter", das schwedische Safrangebäck des Luciafests, zubereitet. Sooo lecker!



Jaaaa, wieder hab ich ein sehr kulinarisch angehauchtes (dezent ausgedrückt) Wochenende verbracht obwohl ich eigentlich einiges für die Uni und den Japanischunterricht zu tun habe. Aber irgendwie komme ich zu nichts, da uns ständig Extraseminare in den Studenplan gedrückt werden und wir ausreichend mit Präsentationen und "midterm exams" versorgt sind. Aber wieso sich deswegen die Adventszeit verderben? ;)
Für Tee, gemütliches Zusammensitzen und Reden sollte immer Zeit sein...

Sonntag, 27. November 2011

Zwei Jahreszeiten gleichzeitig?!

Puuh, ich sitze gerade an meinem Schreibtisch und versuche, das Erlebte des jetzigen Wochenendes vor Augen zu rufen. Leider fällt es mir schwer, nachzudenken, dass ich überhaupt tippen kann ist schon verwunderlich, denn der Rest meines Körpers scheint nahezu unbeweglich. Naja, ich werde mein Bestes geben, die letzten drei Tage zusammenzufassen.
Woher also diese Trägheit?! Hmm, heute haben wir den ersten Advent, draußen waren es tagsüber sicherlich um die 20 °C, drinnen in Sarahs guter Stube bestimmt 27 °C, nicht nur wegen der dämlichen Klimaanlage, die als Heizungsersatz dient und im wahrsten Sinne nur heiße Luft in den Raum pustet (sobald sie abgeschaltet ist, friert man).
Nein, letztens hatten wir die glorreiche Idee, die kommenden Sonntage damit zu verbringen, ein wenig europäische Stimmung unter den japanischen, durch Amerika beeinflussten Kurisumasu-Trubel zu mischen. Selbstgebackene Vanillekipferl, Eiweiß-Mandel-Makronen mit Schokobuttercreme-Füllung, sowie weißer und roter Glühwein sind deswegen Schuld an meiner momentanen Unbeweglichkeit.
Aber was soll's, wir hatten einen gemütlichen ersten Advent mit sehr vielen lustigen Momenten.

Ich finde es schwer, hier in richtige Weihnachtsstimmung zu kommen, nicht nur wegen des warmen Wetters, sondern auch wegen der anderen Auffassung des Festes, die hier herrscht. Für Japaner ist Kurisumasu eher so etwas Ähnliches wie Valentinstag. An Weihnachten geht man mit seinem Partner aus und schenkt sich gegenseitig "puresento". Der familiäre Hintergrund ist weniger vorhanden, dafür gibt es "shougatsu", das Neujahrfest, welches man traditionell im engen Kreis der Familie feiert, mit sehr viel Essen und einem Besuch eines Tempels oder Schreins.
Weihnachten ist also ein richtiges "verkommerzialisiertes" Fest, an dem Santa Kurausu kommt, wenn ich richtig verstanden habe, sogar seinen Geburtstag feiert und lauter Geschenke verteilt. In den Schaufenstern sieht man lauter Puppen, die schicke, schillernde Cocktailkleider anhaben, welche daheim wohl eher an Silvester getragen werden würden und überhaupt ist ganz Fukuoka bestückt und geschmückt bzw. überladen mit Glitzereien, Lichterketten und riesigen leuchtenden Bildern, die an den Wänden der Departmentstores und den Bahnhöfen angebracht sind. Wer's mag, wird wohl seine Freude daran haben...

Tenjin Core- department store

Tenjin Station

Aber gut, zurück zu unserem Adventsbacktag: Es hat sehr Spaß gemacht, zusammen zu sitzen, heißen Glühwein zu trinken und dabei an den Christkindlmarkt am chinesischen Turm zu denken, an die gefrorenen roten Nasen und Hände, an die kalte Luft und den Schnee. Okay, zu nostalgisch will ich nun auch nicht werden, aber ich freue mich schon jetzt auf nächstes Weihnachten, obwohl ich eigentlich gar nicht so ein Fan davon bin.

Umgerechnet 9 € die Flasche, aber man gönnt sich ja sonst nichts haha! ;)




Lustig finde ich, dass hier die Weihnachtzeit beginnt und gleichzeitig der Herbst sich noch in seinen schönsten Farben zeigt. Kouyou, die Blätterverfärbung die ich glaube ich schon einmal erwähnt habe, ist gerade in vollem Gange, weshalb wir gestern nach Saga(land), die Nachbarpräfektur Fukuokas, gefahren sind.
Ich habe noch nie so intensive Farben gesehen, egal wohin man auf dem Gelände des Schreins, bei dem wir waren, geblickt hat, überall sattes Orange, Weinrot und Goldgelb. Noch dazu schien die Sonne so gut sie konnte, wodurch ein beeindruckendes Lichtspiel entstanden ist.







Kein Wunder, dass dieses Naturschauspiel so viele Menschen nach Saga gezogen hat, es war wahnsinnig viel los und jeder wollte wohl die schönsten Fotos machen, egal wohin man ging, man musste ständig zur Seite springen und "Sumimasen" sagen, um nicht ungewollt auf irgendwelchen Freizeitbildern eines achzigjährigen Hobbyfotografen zu landen. Witzig, Japaner sind mit dem Klischee behaftet, immer und überall und alles zu fotografieren, was ich auch auf keinen Fall verneinen möchte, aber wir Auslandsstudenten sind nicht anders. Jedes Blatt, jeder Stein, jede unbekannte Blume und natürlich allerhand unterschiedliche Gerichte müssen aufgenommen werden, - digital verewigt und archiviert.

Im Curry-Restaurant nach der Kouyou-Bestaunung

Entschuldige Lucy... du dienst nur zur Veranschaulichung, nimm's nicht persönlich ;)

Ja, man könnte meinen, dass das vorerst alles war, aber nein, ein Häschen (ein ziemlich wuchtiges) kann ich noch aus meinem japanischen Zylinder ziehen. Das WJC-Programm hat es doch tatsächlich geschafft, uns kostenlose Tickets für das "Grand Sumo Tournament" in Fukuoka zu besorgen.
Also ging es Freitagnachmittag zum Sumogucken und es war wirklich ein Erlebnis. Mich haben die Sumos bei ihrem Training am vergangenenWochenende schon fasziniert, aber das hier war noch einen Tick besser. Anfangs dachte ich, dass es nicht so spannend sei, da nicht sonderlich viel los war, nur vereinzelte Plätze besetzt waren und die Sumos der unteren Ränge gegeneinander antraten. Doch im Laufe des Turniers füllte sich die riesige Halle immer mehr und die Stimmung stieg spürbar. Je höher die Ränge wurden, desto länger dauerte ein Kampf (nicht mehr 30 sek. sondern 2 min.) und umso mehr schrien die Zuschauer. Manche riefen die Namen der jeweiligen Sumos und eine Grundschulklasse quiekte unentwegt "Ganbatte" ("Halt durch!", "Du schaffst das!") in Richtung "dohyo", dem Kampfring aus Reisstroh.



Wenn einer der Sumos aus dem Ring gedrängt wurde und nach unten stürzte, ging öfters ein entsetztes "Aaaah" durch die Zuschauermenge und die Besitzer der teuren Plätze in den vordersten Reihen  mussten um ihr Leben fürchten und rechtzeitig ausweichen, um nicht von einem der Schwergewichte zerquetscht zu werden. Auch der "gyoji", der Schiedsrichter musste aufpassen, nicht zwischen die Ringer zu geraten, was er geschickt durch eifriges Hin-und Herhüpfen (was mich stark an einen Frosch erinnerte) um die beiden Kämpfenden herum, verhinderte.


Bevor es zu einem richtigen Kampf kommt, können Minuten vergehen, in denen die beiden Sumos sich immer wieder in die Startposition (nach vorne gebeugt, die Fäuste auf den Boden gestützt) begeben und einer der beiden sich dann wieder aufrichtet à la "Ach nee du, ich will doch noch nicht kämpfen stattdessen ärgere ich dich noch ein bisschen". Dieses Verhalten kann sich drei, viermal wiederholen und von einem Sumo zum anderen wechseln. Bei jedem Mal merkt man, wie die Spannung im Zuschauerbereich steigt und jeder darauf wartet, dass der Kampf beginnt. Irgendwann aber verharren beide wirklich, blicken sich an, um zu kontrollieren welcher von ihnen schneller angreifen kann (wie ein Revolverduell aus dem Wilden Westen, nur ohne Revolver aber dafür mit viel Fett). Dieses gegenseitige Ärgern, welches auch zur Spannungssteigerung dient, ist allerdings auf vier Minuten begrenzt, die von den meisten komplett ausgenutzt werden. Doch erst 1928 wurde erstmals eine Zeitbegrenzung von 10 min. eingeführt, davor konnten die Sumos beliebig lange auf den richtigen Moment warten.


Ganz am Ende betrat Hakuhou, der derzeit erfolgreichste Sumo Japans, den Ring. Seinen Gegner hiefte er nahezu mühelos, nachdem beide sekundenlang ineinander verhakt waren, am "mawashi", dem seidenen Gürtel der Sumos, aus den Ring heraus. Verloren!

Hakuhou
Als abschließendes Ritual des Turniers vollführte Hakuhou den traditionellen Bogentanz "yumitori-shiki". In der Edo-Zeit (1603-1868) wurde ein Sumokämpfer wenn er gewann, mit einem Bogen ausgezeichnet. Als Zeichen seiner Zufriedenheit und Würdigung dieses Preises führt der Gewinner dann den yumitori-shiki auf.

So, das war's vorerst, mal sehen was ich sonst noch so erleben werde :)
Liebe, herbstliche Wintergrüße und euch allen eine gemütliche Adventszeit.

Mata ne!