Donnerstag, 6. Oktober 2011

Neues aus dem Reich der aufgehenden Sonne...

Jetzt bin ich gerade einmal eine Woche hier, aber es kommt mir schon sehr viel länger vor, was wohl daran liegen mag, dass wir jeden Tag mit neuen Informationen überhäuft werden und es immer etwas zu tun und zu unternehmen gibt.
Und jeden Tag fällt mir immer mehr auf, was mir anders als in Deutschland erscheint. Japaner scheinen einer sehr konsumorientierten Gesellschaft anzugehören. Kaufen, kaufen, kaufen! An jeder Ecke wird einem ein Flyer in die Hand gedrückt (schlimmer als vor der Universität in München) und überall wird für irgendetwas geworben. Ich war mit zwei Japanerinnen in Fukuoka unterwegs und eine der beiden meinte, wir müssten uns unbedingt einen Gutschein holen um in ein Pachinko zu gehen und zu spielen. Gesagt, getan und einen Augenblick später standen wir vor einem Plüschtierautomaten, bei dem man mithilfe einer Greifzange sein Glück versuchen kann, um eines dieser putzigen Tierchen zu ergattern (ok, das gibt es auch in Deutschland). Leider hat keines von ihnen eine neue Besitzerin gekriegt, also weiterhin übereinander, kopfüber, kopfunter liegen und traurig aus dem Glaskasten starren (aber es gibt ja genügend Spielsüchtige in Japan). Vor dem Eingang des Pachinko stand ein schmächtiger Japaner an einer Zuckerwattemaschine, bei der sich schon eine lange Wa(r)tteschlange gebildet hatte. Lauter japanische Jugendliche, die geduldig und schön geordnet ihrer kostenlose (!) Zuckerwa(r)te entgegen blickten. Ich hab ein wenig das Gefühl, dass man hier das Bedürfnis hat, diese wahnsinnig hohen Lebensunterhaltskosten mit kleinen, kostenlosen Dingen auszugleichen. So musste ich auch bisher in keinem der Restaurants, die wir getestet haben, ein Getränk bestellen, da auf jedem Tisch eine Kanne mit eiskaltem Wasser bereitsteht.
Was allerdings auch noch zu dem extremen Konsumverhalten gehört, sind die ganzen nutzlosen Verpackungen. Alles wird doppelt und dreifach in Kunststoff eingewickelt und es scheint egal zu sein, wie viel Müll dadurch entsteht. Allerdings gibt es weit und breit keine Mülleimer. Ich vermute, dass viele ihre Verpackungen, Tüten und Plastikflaschen einfach wieder mit nach Hause nehmen und sie dort entsorgen, denn Fukuoka ist sehr sauber. Mysteriös.... 
Einerseits scheint man sich in Japan sehr ordentlich zu verhalten, doch andererseits scheint es sehr an Umweltbewusstsein zu mangeln. So wird auch nachts in vielen der Wohngemeinschaften das Licht in der Küche angelassen, wobei das vielleicht auch auf Angst im Dunkeln zurückzuführen ist, bei den vielen japanischen Horrorfilmen....
Aber nun zu den japanischen Mädels hier an der Universität. Die allermeisten sind sehr freundlich und hilfsbereit, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel zwei meiner drei Mitbewohnerinnen, die sich so gut wie immer in ihren Zimmern verstecken und sehr selten was sagen. Ich habe die Vermutung, dass sie in unserer hellhörigen Wohnung darauf achten, ob ich mich in meinem Raum oder in der Küche befinde, da sie immer dann rauskommen, wenn ich in meinem Zimmer bin. Mysteriös....nee! Ich glaube, dass sie einfach sehr schüchtern sind und sich kaum trauen mit einer unheimlichen Deutschen mit gedehnten Ohrlöchern und Tattoo in Kontakt zu treten.

Die anderen Mädels sind aber, wie gesagt, sehr aufgeschlossen und sehr darauf aus, möglichst viele "Furendo" zu finden. Ich vergleiche dieses Verhalten sehr gerne mit den vielen Europareisen, die die Japaner sehr mögen. Es geht nicht darum, sich einen Ort anzusehen und ihn genauer kennenzulernen, sondern darum, möglichst vieles in sehr kurzer Zeit abzuhaken. Hauptsache, man ist dort gewesen und kann daheim die Bilder von Rom und Prag zeigen, oder war es doch etwa Rothenburg ob der Tauber und Paris?!
Ein "Furendo" ist also eher eine Trophäe, als ein wahrer Freund.
Natürlich will ich nicht verallgemeinern, da ich ein paar Japanerinnen kennengelernt habe, die nicht so oberflächlich sind und ein aufrichtiges Interesse für mich zeigen, doch scheint es eine gewisse Tendenz für obiges Verhalten zu geben. 
In einem unserer Seminare, die wir besuchen, haben wir gestern ein wenig über typisches japanisches Verhalten in der Gesellschaft gelernt. Ikezawa Sensei, die Dozentin, erklärte uns, dass viele Japaner gerne ihre Familie vor anderen schlecht machen. Zum Beispiel würde ein Vater vor einem Fremden behaupten, dass seine Tochter daheim so unordentlich und unnütz sei. Das tue er aber nicht aus Boshaftigkeit oder Unmut, sondern würde vielmehr dadurch seine Zuneigung zu ihr zeigen, da er sich selbst genauso schlecht macht. Somit sei die Zusammengehörigkeit zu ein und der selben Familie bestätigt. Einer Person, die man weniger mag oder die einem weniger wichtig ist, verhält man sich neutral oder lobt sie ausgiebig. So würde zum Beispiel eine Japanerin über einen Bekannten ihrer Schwester weniger bei anderen schlecht reden, wenn er ihr nicht sonderlich wichtig ist. Überschwängliches Lob oder übertriebenes Niedermachen einer Person sind meiner Meinung nach, beides zu extreme Verhaltensweisen, doch auch hier kann man wieder nicht sagen, dass dies auf alle Japaner zutrifft. 

Wenn einem vieles so anderes und fremd erscheint, vergisst man leicht, dass es sich hier immernoch um Menschen handelt und egal auf welchem Kontinent und an welchem Ort der Welt man sich befindet, so sind bestimmte Verhaltensweisen einfach menschlich und nicht länderabhängig. Ich erwische mich selbst oft genug dabei, dass ich unbewusst geradezu nach dem Anderen und vollkommen fremden Verhalten suche. Anfangs denke ich mir dann auch, dass ich wirklich etwas ganz anderes gefunden habe, doch wenn ich länger darüber nachdenke, so wird der Unterschied zu Deutschen oder anderen Weltbürgern immer geringer und man erkennt sich selbst in gewissen Dingen wieder.
Zum Schluss allerdings noch etwas wirklich anderes:

Hier kann man die Toilette unserer WG sehen. Dieser graue, rechteckige Kasten links im Bild ist weder ein Radio noch eine Notrufeinrichtung, falls das Klopapier ausgegangen sein sollte. Nein, hierbei handelt es sich um einen Lautsprecher und einen Sensor. Wozu fragt man sich? Man stelle sich eine hellhörige Wohnung vor. Man stelle sich einen gemütlichen Abend mit ein paar Furendo, grünem Tee und Osenbe (japanisches Reisgebäck) vor. Man stelle sich zu viel Tee vor. Soweit so gut. Was zu viel Tee bedeutet weiß jeder, also entschuldigt man sich kurz bei den Furendo und verschwindet auf dem Klo. Man bewege nun die flache Hand vor dem Sensor hin und her. Nochmals kurz zusammengefasst: hellhörig + viele Furendo + viel grüner Tee = Unwohlsein während des kleinen (oder auch großen) Geschäfts. Wie praktisch, dass dieses graue Rechteck die Wasserspülung simuliert und somit etwaige peinliche Geräusche zu übertönen versucht. Yokatta!
Klar, dass so eine Vorrichtung Belustigung bei uns deutschen Mädels hervorruft und wir auf der Toilette der Universität erst einmal zu viert testen mussten, wie sich ein Spülsimulationsquartett anhört und wie effektiv es ist. Ergebnis: ineffektiv, interessant, insgesamt einfach sehr zum Lachen!

So vorerst war es das....mata ne (bis bald)!


1 Kommentar:

  1. Am meisten an deinem Bericht hat mich als "Sanitärfachfrau" dieses Spülsimulationsgerät fasziniert. Ich werde es jetzt bei jeder Planung, vorallem in Kasernen und so, berücksichtigen. ;-)))). Ich freu mich schon auf weitere interessante Details.

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